Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 37

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müssen, die in Wahrheit auf serbischer wie auf kroatischer Seite Spitzenanwärter für die Rolle der Hauptangeklagten sind.

Die ganze Situation wurde auch durch die Mitteilungen der letzten Tage beleuchtet. Es ist tragisch, daß die Bereitschaft, mitzuhelfen, die Ziele dieses Tribunals zu erreichen, leider generell nicht vorhanden ist. Das Ministerkomitee des Europarates hat in seiner Stellungnahme zum Aufschub der Aufnahme Kroatiens, über den heute schon gesprochen wurde, darauf hingewiesen – so hat es der Sprecher nachher erklärt –, daß mit ein Grund für den Aufschub war, daß die Regierung in Zagreb die diesbezüglichen Beschlüsse so zögerlich umsetzt und – ich suche das wörtliche Zitat – nicht genügend Kooperation in der Frage dieses Kriegsverbrechertribunals zeigt.

Gestern hat der amerikanische Sprecher Cornblum den serbischen Präsidenten Milosevi% zu Recht gedrängt, die Auslieferung von Karadýi% und Mladi% voranzutreiben, und hat darauf hingewiesen, daß es eigentlich empörend ist, daß Mladi% einen öffentlichen Auftritt hatte, im Fernsehen und auf Photos in Belgrad gezeigt, aber nicht festgenommen wurde. Es wurde also einer derer, die eigentlich vor dem Tribunal als Angeklagte sitzen müßten, in Uniform während einer Beerdigung fotografiert, blieb aber auf freiem Fuß. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. )

Das sind Verhaltensweisen, die nicht zu tolerieren sind, auf serbischer Seite nicht, auf kroatischer Seite nicht, auf keiner Seite, wo sie stattfinden. Wir – als Österreich – sollten die Rolle wahrnehmen, das allen Beteiligten deutlich zu sagen, denn es geht darum, daß der Frieden nur dann wirklich entstehen kann, wenn diese Dinge bewältigt sind, und zwar international und national bewältigt sind. (Abg. Dr. Haider: Wenn die sich an Verträge halten! Wenn Milosevi% sich an Verträge hält!) Beide Seiten müssen sich an die Verträge halten! Auch Kroatien, auch Tudjman ist aus denselben Gründen kritisiert worden.

Mich hat allerdings in diesem Zusammenhang gestört, daß gestern gleich zwei einander widersprechende Äußerungen von internationaler Seite abgegeben wurden. Der Kommandant der IFOR-Truppen in Bosnien, der britische General Walker, hat gesagt, daß die IFOR nicht angeklagte Kriegsverbrecher nicht aktiv verfolgen werde. Am selben Tag hat NATO-Generalsekretär Solana gesagt – ich zitiere wörtlich –, die IFOR werde schon bald dafür sorgen, daß sich mutmaßliche Kriegsverbrecher in Bosnien-Herzegowina nicht mehr frei bewegen können.

Ich glaube, neben dem, was wir von den kriegsbeteiligten Staaten verlangen, müssen wir auch von uns selbst verlangen, daß die internationale Handlungsweise, das gemeinsame Vorgehen eindeutiger und auch besser koordiniert wird.(Abg. Dr. Ofner: Das ist die alte Achse London – Belgrad! Die Briten, die englischen Kommandanten, waren immer auf seiten der Serben!)

Die alten Achsen stören mich in diesem Zusammenhang in jeder Richtung. Ich glaube auch, daß da ein gedanklicher Fehler der Betroffenen vorliegt. Ich weiß nämlich nicht, ob es für einen Staat besser ist, alte Achsen zu Lasten anderer fortzusetzen, oder ob es nicht für einen Staat gescheiter ist, wenn er alte Schulden begleicht, alte Feindschaften begräbt und alte Gräben zuschüttet. (Beifall bei der SPÖ.) Ich glaube, das dient Staaten in unserer heutigen Zeit viel mehr!

Was den Vortrag Peter Handkes betrifft, so bin auch ich sehr froh, daß er im Parlament stattfindet. Ich habe gehört, Peter Handke war sehr betrübt über das Publikum, das er in Wien gefunden hat. (Abg. Dr. Haider: Das Publikum war auch betrübt über seine Ausfälle!) Ich meine, er hätte eigentlich genauso betrübt sein müssen über den frenetischen Beifall, den er in Belgrad gefunden hat. Beides gibt Anlaß zur Sorge. Vielleicht ist der Vortrag im Parlament eine Gelegenheit für ihn, daß eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinem Beitrag stattfindet.

Ich finde das Buch hochinteressant. Ich finde auch den Titel ausgezeichnet, er stammt übrigens nicht von ihm, sondern wurde von der Zeitung gewählt. "Gerechtigkeit für Serbien" ist natürlich etwas, was wir auch ausüben müssen. Wir müssen Gerechtigkeit für alle betroffenen Völker und Staaten in diesem Gebiet entwickeln, und wir müssen auch an die Zukunft denken – nicht im Sinne von Vergessen der Vergangenheit, denn dem Nichtvergessenwerden dient auch diese Vorlage. Wir müssen aber bereit sein, mit den Völkern, mit den Menschen beider Seiten weiter


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