Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 36

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

10.24

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Bundesgesetz – es wurde schon darauf hingewiesen – werden in Österreich aktuelle völkerrechtliche Verpflichtungen umgesetzt. Wir tragen damit in unserem Bereich zur Durchführung der Resolution 827/93 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen bei, worin nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen die Schaffung eines Internationalen Gerichtes zur Verfolgung von Personen beschlossen wird, die für die schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind, welche seit 1991 im ehemaligen Jugoslawien begangen wurden.

Gleichzeitig handelt es sich aber auch um die Resolution 955/94. Ich bin froh, daß auch Kollege Khol schon darauf hingewiesen hat, und man soll es auch besonders erwähnen, daß durch die Tatsache der Nähe des Balkankonfliktes nicht andere gewalttätige Auseinandersetzungen, wie eben die zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi im Frühjahr 1994 in Ruanda, verdrängt werden dürfen, bei denen selbst nach vorsichtigsten Schätzungen mehrere 100 000 Menschen ihr Leben lassen mußten.

Daß, meine Damen und Herren, dieses Tribunal eingerichtet wurde, ist auch zahlreichen Menschenrechtsorganisationen mit zu verdanken, die unablässig auf diese Notwendigkeit hingewiesen haben. Ich unterstreiche die Bedeutung dieses Instruments. Bei aller Bedeutung dieses Instruments dürfen wir aber nicht zu enthusiastisch sein. Viele Staaten hielten sich von Anfang an zurück, auch bei der Finanzierung – auch westeuropäische Staaten. Die Unterlagen wurden anfangs nicht einmal von der UNO zugänglich gemacht und in der Folge auch nur halbherzig zur Verfügung gestellt. Man hat auch kein Verfahren zur Ergreifung der künftigen Angeklagten entwickelt.

Es ist also nicht der große internationale Durchbruch gelungen, sondern es wurde das Bestmögliche erreicht, das unter den gegebenen Umständen zu erreichen war. Unser Ziel – ich möchte das unterstreichen – muß es weiterhin bleiben, daß es zu einem ständigen internationalen Strafgerichtshof kommt, wie er im Rahmen der Vereinten Nationen angestrebt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Bei den Verbrechen, die verfolgt werden, nämlich den schweren Verstößen gegen das humanitäre Menschenrecht, handelt es sich um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nicht untersucht werden Verbrechen gegen den Frieden, wie sie im Abkommen vom August 1945 enthalten waren, das zum internationalen Militärtribunal und zum Nürnberger Prozeß führte. Ohne hier im einzelnen auf den Nürnberger Prozeß einzugehen, der für mich auch den schweren Mangel hatte, daß er Todesstrafen verhängte, sollten wir uns in diesem Zusammenhang die Worte des Hauptanklägers Robert Jackson bei der Eröffnung dieses Prozesses auch heute ins Gedächtnis rufen. Er sagte:

"Die moderne Zivilisation gibt der Menschheit unbegrenzte Waffen der Zerstörung in die Hand. Jede Zuflucht zu einem Krieg, zu jeder Art von Krieg, ist eine Zuflucht zu Mitteln, die ihrem Wesen nach verbrecherisch sind. Der Krieg ist unvermeidlich eine Kette von Tötung, Überfall, Freiheitsberaubung und Zerstörung von Eigentum. Die Vernunft der Menschen verlangt, daß das Gesetz sich nicht genug sein läßt, geringfügige Verbrechen zu bestrafen, die sich kleine Leute zuschulden kommen lassen. Das Gesetz muß auch die Männer erreichen, die eine große Macht an sich reißen und sich ihrer mit Vorsatz und in gemeinsamem Ratschlag bedienen, um ein Unheil hervorzurufen, das kein Heim in der Welt unberührt läßt. Der letzte Schritt", so schließt er, "periodisch wiederkehrende Kriege zu verhüten, die bei internationaler Gesetzlosigkeit unvermeidlich sind, ist, die Staatsmänner vor dem Gesetz verantwortlich zu machen."

In diesem Zusammenhang hat kürzlich das Mitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften István Deák, Professor für Geschichte an der Columbia University in New York, der uns durch seine Tätigkeit beim "Institut für die Wissenschaft vom Menschen" bekannt ist, auf die paradoxe Situation hingewiesen, daß zur Erreichung eines Waffenstillstandes und des Friedens die Vereinten Nationen und die europäischen Mächte regelmäßig mit Personen verhandeln


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite