Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 110

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Nach dem Arbeitsübereinkommen von SPÖ und ÖVP soll der ORF aus "wirtschaftlichen Gründen" in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Bisher ist es den Regierungsparteien allerdings nicht gelungen, klarzumachen, warum die Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Anstalt, die sich selbst gehört, in eine Aktiengesellschaft im Eigentum von Bund und Ländern notwendig ist, denn all jene Ziele, die durch eine Umwandlung erreicht werden sollen (Durchgriffsrecht des Generalintendanten, video on demand, on-line-Dienste) können auch umgesetzt werden, indem das bestehende Rundfunkgesetz geändert wird. Es droht die Umwandlung in einen regierungskonformen Staatsfunk.

Schlußfolgerungen

Durch die jahrzehntelange Untätigkeit von SPÖ und ÖVP befindet sich Österreich in einer erschreckenden medienpolitischen Situation. Aufgrund der Ereignisse der letzten Wochen wurden die kritisch denkenden Menschen in diesem Land wachgerüttelt. Das demokratische Österreich bedarf dringend einer kompletten Neuorganisation der medienpolitischen Rahmenbedingungen.

Der Frequenznutzungsplan und das vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Regionalradiogesetz müssen neu ausgearbeitet werden, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, daß sich diese Entwürfe nicht an parteipolitischen Interessen orientieren, sondern der Meinungsvielfalt beziehungsweise dem Recht auf freie Meinungsäußerung dienen und Frequenzen für freies, nichtkommerzielles Radio zur Verfügung stehen.

Weiters müssen umgehend gesetzliche Rahmenbedingungen für den Kabel-TV-Bereich ebenso wie den terrestrischen und Sat-Bereich geschaffen werden. Es muß prinzipiell jedermann Fernsehprogramme produzieren und senden können. Die einzigen Einschnitte stellen kartellrechtliche Unvereinbarkeiten dar.

Die Presseförderung bedarf dringend einer Totalreform. Der Versuch einer Wiederherstellung der Medienvielfalt durch Maßnahmen der Gründungs- und Qualitätsförderung sowie der besonderen Förderungen der Minderheitenpresse ist heute unerläßlich. Aus diesen Gründen fordert das Liberale Forum einerseits die Umwandlung der "Presseförderung" in eine "qualitative Medienförderung" und andererseits ein Vertriebssystem, welches von allen Printmedien, die in Österreich legal erscheinen, zu marktgerechten Preisen genutzt werden kann.

Von größter demokratie- und medienpolitischer Bedeutung ist ein ORF, der weiterhin ohne parteipolitische Einflußnahme agieren kann. Diese Voraussetzung wäre durch die Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft, deren Eigentümer Bund und Länder sind, nicht gegeben.

Die dringendste ordnungspolitische Maßnahme im Medienbereich stellt wohl eine Novellierung des österreichischen Kartellrechts dar. Das derzeitige Kartellgesetz ist kein Kartellverhinderungs-, sondern ein Kartellregistrierungsgesetz und widerspricht dadurch jedem Kartellregulierungsgrundsatz.

Weiters ist es nicht nur aus medienpolitischen, sondern auch aus wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen unerläßlich, umgehend gesetzliche Richtlinien für den Bereich der "Neuen Medien" zu entwickeln. Fragen wie Zugangsmöglichkeit (Grundrecht auf Information, Info-Houses), Bestimmung der Verantwortlichkeiten, Jugendschutz, Urheberrecht et cetera müssen geklärt werden. Nur so wird Österreich den Übergang vom Industrie- ins Informationszeitalter nicht verpassen.

Eine echte Liberalisierung der österreichischen Medienlandschaft erfordert die Errichtung einer unabhängigen Medienanstalt, deren Gremien vor allem aus Fachleuten (MedienexpertInnen, FachjournalistInnen, RichterInnen et cetera) bestehen soll. Sie wird die Aufgabe haben, alle medienpolitisch relevanten Fragen zu bearbeiten, sinnmachende Konzepte für gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten und mit einer Kontrollfunktion ausgestattet sein.

Im Zusammenhang mit den längst überfälligen medienpolitischen Weichenstellungen in Österreich stellen die unterzeichneten Abgeordneten daher an den Bundeskanzler folgende


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