Wenn Sie Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen, dann sagen sie, daß das größte Bedürfnis jenes nach Sicherheit ist, Sicherheit eigentlich in allen Lebenslagen. Es geht um die Sicherheit am Arbeitsplatz. Es geht um die Sicherheit gegen Risken der Krankheit, des Unfalls und des Alters. Und wir haben mit unserem Sozialsystem in Österreich, so glaube ich, eine gute Voraussetzung geschaffen, daß wir auf all die Fragen auch taugliche Antworten geben beziehungsweise vertretbare Leistungen gewähren können.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten mit der Frage Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosigkeit und dergleichen viel behutsamer umgehen. Arbeitslosigkeit ist in Wahrheit für jeden Menschen ein schreckliches Schicksal, und deshalb haben wir uns zu bemühen, daß ihm diese möglichst nicht widerfährt, wiewohl ich glaube, daß man Arbeitsplätze nicht anordnen kann, Arbeit nicht verordnen kann, sondern daß man nur Rahmenbedingungen schaffen kann, damit die Menschen Arbeit haben und Arbeit finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Die Arbeitslosenversicherung, so gut sie auch ist, ist sicherlich nicht frei von Fehlläufen. Diese zu beseitigen, das, glaube ich, ist unsere Aufgabe. Und die Frage, ob wir die Zumutbarkeitsbestimmungen so lassen oder etwas verschärfen, sollen wir nicht hier vom Rednerpult aus klären, sondern sollen wir eher grundsätzlich miteinander besprechen.
Im Jahr 1994 sind auch die Arbeitsämter neu geregelt worden. Mit 1. Juli 1994 ist das Arbeitsmarktservicegesetz in Kraft getreten. Wir haben in der Arbeitsvermittlung durch das neue Gesetz auch entsprechende Erfolge zu verzeichnen. Ich glaube aber, daß wir uns in diesem Bereich in den nächsten Wochen und Monaten weiter zu bemühen haben werden und auch dort manche Trägheiten und Fehlläufe aufarbeiten müssen. Insgesamt können wir auf eine vertretbare Entwicklung verweisen, die wir tagtäglich noch verbessern können.
Dieser Bericht nimmt auch auf das Pensionssystem Bezug und sagt aus, daß im Jahr 1994 1 805 000 Bürger in Österreich einen Bezug für die Alterssicherung aus dem Pensionssystem erhalten haben. Und es stimmt, Dr. Kier, daß wir hier nachdenken müssen. Ich teile mit Ihnen nicht die Auffassung, daß wir in einer Krise stecken. Ich glaube aber, daß wir alles unternehmen müssen, um auch gewisse Entwicklungen klar zu sehen. Wir müssen sehen, daß auf Dauer das Pensionssystem nicht arbeitsmarktpolitische Aufgaben erfüllen kann. Das wird nicht gehen, das wird nicht finanzierbar sein, da wird der Generationenvertrag nicht stabil bleiben. Hier muß es Änderungen geben. (Beifall bei der ÖVP.)
Genauso brauchen wir Antworten auf eine – Gott sei Dank – höhere Lebenserwartung. Wir brauchen auch Antworten auf die Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Im Jahr 1970 betrug die Lebensarbeitszeit 43,2 Jahre, im Jahr 1994 betrug sie 38,4 Jahre – durch längere Ausbildung, durch früheren Pensionsantritt. Das sind Fakten, an denen wir uns zu orientieren haben. Wir haben auch festzustellen, daß die Pensionsleistung von 1970 bis 1994 um 295 Prozent anstieg, die Ausgleichszulagenrichtsätze sogar um 473 Prozent angehoben wurden, während der Verbraucherindex in dieser Zeit nur um 198 Prozent angestiegen ist. Das heißt, wir haben gerade im Alterssicherungsbereich eine enorm gute Entwicklung, und ich meine, daß wir uns darüber freuen sollten.
Was mir aufgefallen ist und was ich kritisch anmerken möchte, sind die Pensionsleistungen beim Pensionstyp "allgemeine Alterspension". Hier haben wir eine durchschnittliche Leistung von 13 400 S, die geringste Leistung beträgt 7 600 S, die höchste 17 500 S, im Bereich ASVG, BSVG und GSVG, im öffentlichen Bereich 30 600 S. Mich plagt nicht der Neid, aber die Sorge, ob wir auf Dauer denen mit einer Pension von 7 600 S erklären können, daß das alles ist, was wir ihnen zu geben haben. Das werden wir auf Dauer nicht drüberbringen. Deshalb werden wir nach mehr Harmonisierung trachten und streben müssen. Das ist eine ungemein schwierige Sache, weil sich niemand hier einbringen möchte, der über dem Mittel liegt, und sich jeder, der unter dem Mittel liegt, ungemein viel erwartet. Es ist aber keine hoffnungslose Aufgabe. Wenn wir wollen, können wir auch hier Verbesserungen erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)