Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 67

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Die Pensionsreform 1993 hat in beeindruckender Weise schon auf die Veränderungsprozesse Bezug genommen. Ich glaube aber, daß all diese Umbauelemente, daß all diese Maßnahmen eigentlich aufgrund der Veränderungen, die seither stattgefunden haben, zuwenig greifen und wir nachjustieren müssen. Das bleibt uns sicherlich nicht erspart.

Bezugnehmend auf das Pflegegeld. Meine Damen und Herren! Ich habe vor kurzem mit Parlamentariern aus der Bundesrepublik Deutschland gesprochen, und die haben mir gesagt: Lieber Freund! Schätze dich glücklich, in Österreich zu sein. Wir in der Bundesrepublik Deutschland können uns überhaupt nicht vorstellen, ein Pflegegeld von dieser Qualität anzubieten.

Wir haben 310 000 Bürger in der Pflegeleistung. 1 Prozent davon sind in der erbarmenswerten Situation, in der Pflegestufe 7 leben zu müssen, 58 Prozent davon sind in der Pflegestufe 2. Insgesamt, glaube ich, haben wir in diesem Bereich eine Leistungsqualität, die Sie nirgendwo anders finden werden. Auch das sollen wir den Bürgern sagen, auch darauf wollen wir hinweisen, und darüber müssen wir reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist keine Frage, daß es in der Krankenversicherung Sorgen und Probleme gibt. Aber ich glaube, damit können wir uns am heutigen Tag ohnehin noch beschäftigen. Ich meine, nur darauf verweisen zu müssen, daß wir auch sehen müssen – bei allem Palaver, das es dazu gibt –, daß die Einnahmen in den letzten zehn Jahren im Schnitt um 3 bis 4 Prozent gestiegen sind, während sich die Ausgaben um 10 Prozent und mehr Prozent erhöhten. Wir haben all die zusätzlichen Leistungen mit Freude aufgenommen, aber wir werden heute auch auf diese Dinge Antworten zu geben haben, denn diese Entwicklung können wir so nicht fortschreiben. Persönlich glaube ich, daß weder die neue Spitalsabrechnung das Problem löst, noch bin ich ein Freund von Beitragserhöhungen. Ich sage das ganz offen, und das wissen sehr viele, mit denen ich sprechen durfte. Ich glaube aber, daß einige Vorschläge, wie sie zum Beispiel Minister Hums in den letzten Tagen gemacht hat, etwa Teile der Tabaksteuer für den Gesundheitsbereich einzubringen, vernünftig sind. Und wir sollten uns mit ihnen wirklich beschäftigen und nicht sagen: Das geht nicht, das hat keinen Sinn! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen auch den Mut haben, dieses Konfliktthema ehrlich zu diskutieren. Ich glaube, daß das Krankenversicherungssystem keine Reparatur mehr verträgt, sondern eine Korrektur braucht, eine neue Linie, neue Entwicklungen und mehr Eigenverantwortung des Bürgers braucht. Das bleibt uns nicht erspart. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn jemand glaubt, daß die Unfallversicherung für alles aufzukommen hat, dann soll er sich einmal den Fall vor Augen führen, der gestern abend in der Sendung "help tv" berichtet wurde: Da hat ein Mann einen risikoreichen Sport betrieben und dabei einen schweren Unfall erlitten, und er verlangt jetzt von der gesetzlichen Unfallversicherung alle Leistungen – bis hin zur Versorgungsleistung. Meine Damen und Herren! Wenn wir mit den Geldern der Unfallversicherung, die wir im wesentlichen für die Verhütung von Unfällen und für Arbeitsunfälle eingebracht haben, auch alle anderen Bereiche wie Haushaltsunfälle und Freizeitunfälle eins zu eins abdecken wollen, dann müssen wir uns auch im klaren darüber sein, daß irgendwann einmal die Decke zu kurz wird.

Entweder wir finden Möglichkeiten, Haushalts- und Freizeitunfälle teilweise anders abzudecken, oder wir müssen zu einer neuen Leistungsbetrachtung kommen.

Ich meine, daß wir auch sagen sollen, daß wir ein umfassendes und gutes Sozialsystem haben – ohne Riskenauslese –, ein System, in das nahezu 99,77 Prozent aller Bürger – ohne Ansehen ihres Standes, ihrer Gesundheit, ihres Alters oder sonst irgendwelcher Kriterien – einbezogen sind, und auch alle Leistungen in vollem Umfang erwarten können.

Wir müssen auch sagen, daß die Sozialversicherungen – ein Feindbild mancher – auch nicht so schlecht arbeiten, wie es manchmal dargestellt wird. Der Verwaltungsaufwand dieser Einrichtungen, in denen an die 28 000 Menschen arbeiten, Arbeit finden, ist 2,9 Prozent. Zeigen Sie mir eine Einrichtung, die wesentlich effizienter oder billiger arbeiten würde! Deshalb dürfen wir nicht immer das Kind mit dem Bade ausgießen, sondern müssen selektiv und klar diskutieren: Über


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