Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 72

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besagen, daß auch eine Billa-Verkäuferin schon beim Sozialamt um Sozialhilfe ansuchen muß. Auch diese Fälle gibt es. Der Sozialhilfebericht der Stadtgemeinde Salzburg sagt: Es finden Armut und die Notwendigkeit zum Einsatz von Sozialhilfemitteln auch schon in Mittelschichtfamilien und dem, was man als Mittelschichtfamilie kennt, statt.

Wir wissen aus allen uns zur Verfügung stehenden Unterlagen, daß Armut nach wie vor ein ländliches Problem ist, hauptsächlich auf dem Land herrscht, daß es gerade durch die Maßnahmen auch im Strukturanpassungsgesetz arme bäuerliche Familien gibt, die stark davon betroffen sind. Wir wissen, daß Armut auch ein Geschlecht hat, nämlich ein weibliches.

Herr Minister! Sie sollten deshalb den Mut haben, auch wenn es natürlich diese positive Darstellung eines Sozialberichtes gibt – sie ist ja nicht durchgehend positiv, wie eben über die Realität –, diesen Sozialbericht durch einen Armutsbericht zu ergänzen. Ich hielte es für einen tatsächlichen Fortschritt, wenn das gelingen würde, und eine Qualität, die uns hier im Hohen Haus in die Lage versetzen würde, ein Stück mehr über soziale Realitäten draußen anhand von Fakten zu diskutieren und tatsächlich Verbesserungen auch dort, wo sie unmittelbar und sehr dringend notwendig sind, vorzunehmen.

Ich habe das schon im Ausschuß angeregt: Was mir in diesem Sozialbericht abgeht, ist der Zeitbericht. Ich möchte Sie, Herr Minister, auch anregen, daß eventuell ein neues Kapitel eingeführt wird, das uns auch einigermaßen detailliert Auskunft gibt über die Arbeitszeiten, die in Österreich tatsächlich geleistet werden, aber nicht über die gesetzlichen Arbeitszeiten, nicht über die, die in der Branche gearbeitet werden, sondern über die tatsächlichen inklusive Überstunden.

Ich habe es auch schon im Ausschuß getan und verweise auch hier auf diese Untersuchung des Familienministeriums. Wenn die Zahlen, die offensichtlich aufgrund einer Mikrozensuserhebung vom Familienministerium publiziert worden sind, stimmen, dann haben wir es in Österreich über einen Zeitraum von zehn Jahren nicht mit rückläufigen Arbeitszeiten zu tun, sondern mit gleichbleibenden beziehungsweise leicht steigenden Arbeitszeiten. Dann haben wir es nach wie vor mit einer geschlechtsspezifischen Verteilung von Hausarbeit zu tun – ein zweiter Bereich, von dem es auch wichtig wäre, in einem Sozialbericht über Arbeitszeiten behandelt zu werden. Und dann haben wir es mit einem Rückgang, wenn auch nur geringfügig, von Ruhezeiten zu tun.

Aus gesundheitspolitischer Sicht – wir werden das heute noch einmal diskutieren – müßte es uns zumindest ansatzweise beunruhigen, daß die eigentliche Erholungszeit – also nicht die freie Zeit im allgemeinen, sondern die Erholungszeit – rückläufig ist. Das müßte uns beunruhigen. Ich denke, es wäre wert, sich dieser Frage zu widmen: Wie entwickeln sich die Zeiten, die Arbeitszeiten, die Haushaltszeiten, die Haushaltsarbeitszeiten, die freien Zeiten, die Erholungszeiten, in einem Land wie Österreich? – Das ließe sich auch untersuchen, und es würde uns weiterhelfen, beispielsweise in der Debatte über Arbeitszeitpolitik, wenn wir tatsächlich feststellen könnten, in welchem Ausmaß in Österreich Überstunden geleistet werden und ob dies angesichts einer steigenden Arbeitslosigkeit verträglich und vertretbar ist oder nicht. Das würde uns in der Debatte weiterhelfen, und darum, Herr Minister, möchte ich das anregen.

Ich muß aber noch einen ganz wichtigen Punkt, der bisher meiner Ansicht nach in der Debatte zu kurz gekommen ist, obwohl es ein eigener Bericht ist, thematisieren, nämlich den Arbeitsinspektionsbericht. Der Arbeitsinspektionsbericht – ich habe das auch im Ausschuß gesagt, Herr Minister – ist meiner Ansicht nach ein schlechter Bericht, weil es ihm nicht gelingt, die Realität einigermaßen einzufangen.

Herr Kollege Koppler weiß nicht so recht, ob er mir zustimmen soll. Ich sage dir ein Beispiel, Kollege Koppler: Heute in der Früh ist im ORF ein Beitrag über den Arbeitsinpektionsbericht gekommen: Die Anzahl der Arbeitsunfälle in Österreich ist rückläufig, sagt der Arbeitsinspektionsbericht. – Öllinger sagt: Falsch! – Nicht nur Öllinger sagt das, sondern auch wieder die Arbeiterkammer. Selbstverständlich haben die Daten, die im Arbeitsinspektionsbericht enthalten


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