Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 96

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Das wurde mit 1. 7. 1993 beschlossen. 1994 war es wieder anders. Der stationäre Bereich hat dreimal soviel erhalten wie der ambulante Bereich. Auch damit zeigen Sie ganz klar die Richtung auf: Zurück ins Heim!

Noch etwas, Herr Minister: Sie haben im Sozialbericht einen neuen Bereich erwähnt, und zwar die sogenannte Hilfsmittelberatung. Das klingt ganz gut. Ich habe mir gedacht, das ist eine neue Sache, die bringt es, und habe mir erlaubt, beim Bundessozialamt hinsichtlich dieser Hilfsmittelberatungsstelle einmal nachzufragen, weil ich eine Beratung gebraucht hätte. Da im Bericht steht, daß zum Beispiel auch über Hilfsmittel, Adressen von Vertreibern, über Reparaturstellen, über Preise von Hilfsmitteln et cetera informiert wird, und da man dort auch Prospekte anfordern kann, habe ich angerufen. Jetzt sage ich Ihnen das Ergebnis: Mir wurde bei der Hilfsmittelberatungsstelle erklärt, die Ergotherapeutin sei täglich nur von 8 bis 12 Uhr erreichbar, aber es sei trotzdem kein Problem, ich könne meine Auskunft schon haben. Ich solle – ich nenne jetzt keine Namen – bei dieser und jener Orthopädiefirma anrufen, dort würde man mir sagen, was das Hilfsmittel, das ich brauche, kostet.

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister – ich habe nämlich bei dieser Auskunft wirklich lachen müssen –: Haben Sie jetzt sogar schon einen Vertrag mit den Bandagisten gemacht? – Da brauche ich doch nicht die Hilfsmittelberatung anzurufen, damit ich dann die Adresse vom Bandagisten bekomme, um zu erfahren, was der Rollstuhl kostet. Diese Adresse habe ich doch ohnehin! Ich bin vielmehr davon ausgegangen, daß eine Hilfsmittelberatungsstelle jene Stelle ist, wo ich völlig unverbindlich, völlig abgekoppelt von jedem Bandagisten einfach eine österreichweite Preisinformation erhalte. Dann kann ich frei entscheiden, was ich mir kaufen will. Es ist aber nicht so!

Herr Minister! Wenn Sie glauben, daß das eine vernünftige Neuerung ist, dann ist das ein Riesenirrtum! Das, was da gemacht wurde – ich habe es jetzt nur im Hilfsmittelbereich erprobt –, ist nichts anderes als eine zusätzliche Zementierung der Verträge der Bandagisten mit den Krankenkassen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber weil das so ist und weil natürlich die Bandagisten jetzt noch mehr Macht haben und ihre Preisgestaltung selbst festlegen können und die Kosten im Hilfsmittelbereich explodieren, versuchen Sie auf der anderen Seite, unsere Leistungsansprüche zurückzunehmen. Es wird jetzt zum Beispiel diskutiert, daß für jeden Rollstuhl einheitlich nur mehr 7 000 S bezahlt werden sollen, egal was der Rollstuhl tatsächlich kostet. Wenn er mehr kostet, muß das der Betroffene selbst zahlen. Ob er es hat oder nicht, ist sein Problem. Hat er es nicht, muß er sich ins Spital legen, bis er das Geld gespart hat. Hat er es vorher schon, braucht er nicht so lange drinliegen. Das ist die Realität, Herr Minister!

Ich sage jetzt nicht irgend etwas Hypothetisches. Wenn zum Beispiel mein Rollstuhl am Wochenende kaputt ist, muß ich ins Krankenhaus gehen. Dort muß ich so lange bleiben, bis mein Rolli wieder repariert ist. Es war nämlich nicht möglich, auch nur einen einzigen Bandagisten in jeder größeren Stadt zu verpflichten, einen Sonntagsdienst einzurichten. Derzeit habe ich nicht einmal die Möglichkeit, mir vom Krankenhaus einen alten Rollstuhl, an den ich überhaupt keinen optischen Anspruch stelle, für zwei Tage auszuborgen, bis meiner wieder repariert ist. Mein Aufenthalt kostet aber das Krankenhaus in dieser Zeit 12 000 S. Das ist die Realität!

Unabhängig davon, daß es nicht lustig ist, daß der Rollstuhl kaputt ist und man sich ins Krankenhaus legen muß – das habe ich auch kundgetan –, hat mir ein Mann vom Roten Kreuz gesagt: Das ist doch nicht so tragisch, dann bleiben Sie eben bis Montag im Fauteuil sitzen. Meine Überlegung war es also, herauszufinden, was mir lieber ist: mich ins Krankenhaus zu legen oder zwei Tage daheim im Fauteuil zu sitzen.

Herr Minister! In dieser Richtung besteht seit Jahren Handlungsbedarf. Da gäbe es ein enormes Einsparungspotential, und diese Einsparung wäre gerechtfertigt, denn sie ginge nicht auf Kosten der behinderten Menschen, sondern zu Lasten der horrenden Preise der Anbieter. Aber Sie machen es umgekehrt, Sie sparen bei den Behinderten ein, anstatt dort, wo gespart werden müßte.


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