Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 12

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Familienangehörigen erwarten, daß sie einmal einen Arbeitsplatz bekommen würden, was aufgrund der derzeitigen Arbeitsplatzsituation zweifelhaft sei. Auf die Schwierigkeiten der Arbeitsmarktlage wies auch das Sozialministerium hin.

Die Vorarlberger Landesregierung und der Gewerkschaftsbund kritisieren, daß die Infrastruktur für den geplanten Familiennachzug vollständig fehle (Wohnungen, Schule, Arbeit). Erst wenn diese gegeben sei, wäre die geplante Familienzusammenführung sinnvoll. Außerdem könnten in den kommenden Jahren aus arbeitsmarktpolitischen Gründen keine zusätzlichen Ausländerarbeitsplätze geschaffen werden. Laut Aussage des ÖGB-Präsidenten müßten erst Arbeitsplätze für junge Leute zur Verfügung stehen, ehe diese ins Land geholt werden. Man könne dies nicht dem freien Markt überlassen, denn dann entstehe der Kampf Ausländer gegen Ausländer beziehungsweise Ausländer gegen Inländer.

Die Bezirksvorsteher der westlichen Gürtelbezirke Wiens, Rudolfsheim-Fünfhaus, Ottakring, Hernals, Währing und Döbling, in deren Bezirken der hohe Ausländeranteil mit allen seinen Folgeerscheinungen ein besonderes Problembewußtsein geschaffen hat, wollen sogar gemeinsam eine "Verdünnung" des viel zu hohen Ausländeranteils durchsetzen wie eine Begrenzung des Ausländeranteils in Schulklassen auf 50 Prozent der Schüler (manche Klassen haben über 80 Prozent Ausländeranteil). Um den in ihren Bezirken wachsenden Slum-Tendenzen rasch entgegenzuwirken, treten die Bezirksvorsteher dafür ein, Gastarbeiter in andere Stadtteile abzusiedeln und eine Ausländer-Höchstquote an den Schulen einzuführen. Dabei gehen diese von der Überlegung aus, daß Gastarbeiteranteile von bis zu 65 Prozent für die betroffenen Viertel nicht verkraftbar seien und sowohl den Aus- wie auch den Inländern gewaltige Probleme und Ängste bescheren.

Der österreichische Arbeitsmarkt wird noch durch ein weiteres Problem zusätzlich belastet. In Österreich sind rund 55 000 türkische Staatsangehörige unselbständig beschäftigt beziehungsweise arbeitslos. Aufgrund des jüngst bekanntgewordenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424, benötigen Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit nach der Bestimmung des Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (Assoziationsabkommen EWG/Türkei aus dem Jahre 1963) nach vier Jahren Aufenthalt in Österreich keine Aufenthalts- und keine Beschäftigungsbewilligung mehr, sie haben dann vielmehr eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis bei Arbeitgebern freier Wahl und sind daher EU-Bürgern gleichgestellt. Art. 7 dieses Abkommens sieht für Familienangehörige der türkischen Arbeitnehmer nach einer bestimmten Aufenthaltsdauer ähnliche Zugangserleichterungen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vor. Es ist zu befürchten, daß dadurch eine weitere Belastung des österreichischen Arbeitsmarktes eintritt, wenn anstelle der Bewilligungen für die türkischen Staatsangehörigen nunmehr die freiwerdenden zirka 40 000 Bewilligungen an andere Personen ausgestellt werden. Dieses Erkenntnis müßte daher zum Anlaß genommen werden, daß insbesondere die Ausstellung von weiteren Beschäftigungsbewilligungen und damit eine weitere Zuwanderung türkischer Staatsangehöriger vollständig gestoppt werden.

In Anbetracht der Auswirkungen der verfehlten Ausländerpolitik der Bundesregierung ist, wie es auch Bürgermeister Häupl forderte, in Zukunft im Interesse Österreichs eine anständige Ausländerpolitik zu betreiben.

Da aufgrund der dargestellten Situation ein dringender Handlungsbedarf besteht, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Aufgrund welcher Erwägungen vertritt die Bundesregierung die These, Österreich sei ein Einwanderungsland?

2. Trifft es zu, daß diese These für das politische Handeln der Bundesregierung im Bereich des Fremdenrechtes maßgebend ist?

Wenn ja, inwieweit?


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