Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 60

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Der dritte Punkt – und das ist mir am wichtigsten –: Abschottung bedeutet Stillstand. Sie bedeutet Verarmung, und zwar kulturell wie wirtschaftlich. Dieses Österreich lebt davon, daß es sich eben nicht abgeschottet hat. Ich bin sehr dankbar, daß sich 1918 mein Großvater, der in Sarajevo geboren ist, als k. u. k. Offizier in Österreich niederlassen durfte. Ich wäre sonst vielleicht nicht in diesem Lande. Vielleicht bin ich eine kleine Bereicherung; mein Großvater war es auf jeden Fall.

Der vierte Punkt – es wurde dies schon von Stummvoll sehr richtig gesagt –: Arbeitslosigkeit und freie Stellen aufzurechnen ist einfach Schwachsinn. Es ist einfach Dummheit. Arbeitslosigkeit und freie Stellen aufzurechnen ist Schwachsinn und Dummheit. Und wer das tut, muß sich des Populismus zeihen lassen. (Beifall beim Liberalen Forum, bei SPÖ und ÖVP und bei den Grünen.)

Dazwischen liegt das Spannungsfeld der Qualifikation von Wohn- und Arbeitsort, von Zumutbarkeiten. Und hier, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, liegt Ihre Aufgabe, die Zumutbarkeitsbestimmungen nicht nur anzupassen, zu modernisieren, sondern sie auch anzuwenden. (Abg. Dr. Khol: Richtig!)

Wir haben in Österreich mit Stand Ende Mai 23 570 ausländische Arbeitslose. Wir haben – und da sind Gott sei Dank die arbeitslosen Ausländer auch dabei, weil wir bei den Berufen alle Berufstätigen erfassen – 6 193 arbeitslose Bauhilfsarbeiter, 31 805 arbeitslose Menschen in Fremdenverkehrsberufen, 2 038 arbeitslose Hausgehilfinnen, 8 934 arbeitslose Reinigungspersonen, also eine Vielzahl von arbeitslosen Menschen. Und trotzdem gelingt es manchen Betrieben nicht, und zwar wegen mangelnder Zumutbarkeit, wegen mangelnder Durchsetzung der Zumutbarkeit, auf dem Arbeitsmarkt Mitarbeiter zu finden.

Und daher ein klares Wort zu den Saisonniers: Herr Dr. Stummvoll! Die Wirtschaftskammer beschäftigt sich mit dieser Frage sehr stark. Ich glaube, in der heutigen Beschäftigungssituation brauchen wir Saisonniers dann nicht mehr, wenn wir die Zumutbarkeit vernünftig regeln.

Nur einen Status des Saisonniers lasse ich mir nicht nehmen, meine Damen und Herren: Für die junge australische Studentin, für den kanadischen Studenten, für den Handwerker aus Norwegen, für den Schweizer jungen Mann, der unsere Kultur, unser Land, unsere Sprache kennenlernen will, der nicht in unser Sozialsystem integriert werden will, der nur für eine bestimmte Zeit, drei, sechs Monate, bei uns arbeiten und unser Land kennenlernen will, muß Platz bleiben in Österreich. Das ist aber eine ganz andere Form von Saisonnier als derjenige, der gemeint ist für die Beschäftigung in Branchen, in denen wir sonst keine Mitarbeiter bekommen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der ÖVP.)

Der sechste Punkt: Eines ist klar, und jeder, der verantwortungsvoll darüber diskutiert, weiß das: Die Einwanderungspolitik hat Grenzen, und gerade weil sie Grenzen hat, möchte ich heute eine Einwanderungsdebatte führen und keine Ausländerdebatte. Die Menschenrechtskonvention ist halt nicht relativierbar. Sie ist Gott sei Dank so glasklar beschlossen, und wir haben sie als Österreicher unterschrieben. Und auch Asylrecht und Humanität sind nicht diskutierbar – auch wenn die Ergebnisse schwierig sind, auch wenn es Belastungen gibt. Aber nur zu sagen, wir sind für die Österreicher, und die Ausländer sind uns egal, das geht nicht, das ist zu schmal gedacht. Menschen, die in unserem Land leben, Menschen, die in Not sind, sind unser Problem, gleichgültig, welche Staatsbürgerschaft sie letztlich haben.

Einwanderung muß immer größer als null sein. Wir brauchen eine schrittweise Einwanderung in einer offenen Weltwirtschaft, in der Betriebsansiedelung, in der Qualifikation, in der Ausbildung, in der kulturellen Bereicherung unseres Landes. Sie muß aber begrenzt sein in der Integrationsfähigkeit, wobei Integrationsfähigkeit nicht Unterordnung, sondern Eingliederung, partnerschaftliches Nebeneinanderleben heißt.

Meine Damen und Herren! Die Lösung ist sicher schwierig und sensibel. Einige Ansätze dazu:

Der Schwerpunkt – ich glaube, hier sind wir alle einer Meinung – muß auf der Integration der Menschen liegen, die in unserem Lande sind. Es ist mir unerträglich, daß Leute abgeschoben


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