Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 59

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

19.08

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ich bin sicher, daß Herr Dr. Stummvoll seine Aussage, er möchte, daß seine Kinder nicht in eine Schule mit einem Ausländeranteil von 80 bis 90 Prozent gehen, auf die Sprachfähigkeit dieser jungen Menschen bezogen hat. Und das ist vielleicht der Unterschied in der Debatte. Hier geht es um die Sprachfähigkeit, darum, daß der Vater sich Sorgen macht, daß die Kinder durch die mangelnde Sprachfähigkeit ausländischer Kinder im Lernen zurückbleiben. Würden sie nämlich wirklich gutes Deutsch sprechen, wäre es eine Bereicherung für die Kinder, wenn sie dort hingehen könnten, um dort mehr zu lernen als ihre Schulkameraden aus demselben Dorf.

Integration ist halt eine Frage, wie man sie sieht. Die Frau Kollegin Partik-Pablé hat zur Integration gesagt, die Ausländer müssen sich an unseren Lebensstil anpassen, wie wir seit Jahrzehnten gelebt haben. – Ist das wirklich so statisch? Ist es wirklich so, daß Integration nur Anpassen ist? Ist Integration nur Unterordnung? Ist Integration nicht genauso Selbstbestimmtheit, Buntheit und Veränderung unserer Kultur?

Meine Damen und Herren! Das ist vielleicht der Punkt, warum wir hier in der Sondersitzung streiten müssen: weil wir bei einem sensiblen Thema halt ganz andere Zugänge haben.

Ich wäre froh, wenn wir keine Ausländer-, sondern eine Einwanderungsdebatte führen würden (Abg. Mag. Stadler: Das glaube ich!) , denn es gibt kein zivilisiertes Land der Welt, das kein Einwanderungsland ist. Es ist eine Frage der Menge, es ist eine Frage der Gleichzeitigkeit, es ist eine Frage der Integrationsfähigkeit, wobei ich hier unter "Integration" eben nicht Unterordnung, sondern Selbstbestimmung verstehe.

Was mich so stört, ist, daß dieses sensible Thema natürlich in der österreichischen Bevölkerung da und dort an Biertischen, auch in manchen Zeitungen so mit einem unterschwelligen Rassismus, so mit einer pangermanischen Überheblichkeit, mit einer ideologischen Verbohrtheit und dazu noch mit einer Überflutungsphilosophie diskutiert wird. Ich unterstelle den Damen und Herren des freiheitlichen Klubs nicht, daß sie das tun, ich werfe ihnen aber gleichzeitig vor, daß sie sich zuwenig dagegen wehren. Denn ich weiß, daß bei solchen Versammlungen da und dort irgendein Wahnsinniger aufsteht und einen unerhörten Schwachsinn redet. Und ich verlange von Ihnen, ich fordere Sie als politische Mandatare dieser demokratischen Republik Österreich auf: Wann immer solche Wahnsinnigen bei irgendwelchen Versammlungen aufstehen, dann widersprechen Sie ihnen gefälligst, dann bekämpfen Sie diese Meinungen und unterstützen Sie sie nicht unterschwellig. – Das ist das, was uns wirklich unterscheidet.

Fakten bei diesem Thema sind schnell aufgezählt. Reichtum zieht an, meine Damen und Herren. Wir können unseren Reichtum nicht mehr verstecken in einer Mediengesellschaft. Er ist erreichbar geworden. Es ist ein osmotischer Druck von Armut zu Reichtum.

Wir werden also alles Erdenkliche tun müssen in der Entwicklungspolitik. Es ist nicht nur damit getan, daß wir einen Osthilfefonds fordern, sondern es gilt wirklich, die Entwicklungspolitik zu fördern. Man kann nicht auf der einen Seite dagegen sein, daß die Entwicklungshilfe in Österreich 1 Prozent oder 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen soll, und auf der anderen Seite auch die Einwanderung bekämpfen. Es ist ja der Sinn der Entwicklungspolitik, diesen osmotischen Druck zu senken. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Der zweite Punkt ist halt bedauerlich: Die reichen Länder sterben aus. Wir haben eine Reproduktionsrate – es graust mir fast, wenn ich das so ausdrücke –, die unter zwei liegt. Die gebärfähige Frau bekommt nur mehr 1,4 Kinder. Das ist eine freie Entscheidung der Familie in Österreich. Daher werden wir Zuwanderung haben müssen, wenn wir die Bevölkerungspyramide nur annähernd aufrechterhalten wollen. Aus dem schönen stolzen Tannenbaum ist mittlerweile eine nicht minder stolze, aber unfinanzierbare Linde geworden.


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