Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 62

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die heute auch schon erwähnt wurden: aus einem Interview mit Innenminister Dr. Einem im "Standard" und aus dem mehrmals erwähnten Interview des Bürgermeisters Dr. Häupl in der Zeitung "Die Presse", in der dieser von der "anständigen" Ausländerpolitik spricht.

Viel bedenklicher jedoch als eine Sondersitzung an einem Tag, an dem man – wie zugegebenermaßen auch ich – als Abgeordnete oder Abgeordneter schon andere Pläne und Verpflichtungen hatte, viel unangenehmer als Sondersitzungen und Anwürfe und Polemik und Populismus der Freiheitlichen ist mir das, was die Sozialdemokraten in diesem beginnenden Wahlkampf tun, nämlich dieses Sprechen mit gespaltener Zunge und dieses – wie der Kolumnist Staberl meint – "Kundendienstbetreiben". Der eine – Herr Bürgermeister Häupl – für die Masse der Wähler, der andere – Bundesminister Dr. Einem – für die intellektuellen, linksintellektuellen, aufgeschlossenen, liberalen – "liberalen" im Parteisinn – und grünen Wähler.

Jeder bekommt vor den Wahlen, was er braucht. Der Herr Bundesminister, der einer der wenigen Abgeordneten mit einem direkten Mandat ist, das er jetzt nicht ausübt, sondern freundlicherweise einer Dame, der Kollegin Karlsson, überlassen hat, befriedigt eine Klientel, die mit uns – und viele von Ihnen waren auch dabei – beim Lichtermeer am 23. Jänner 1993 für ein menschlicheres Zusammenleben in Österreich demonstriert hat. Einige sind auch heute noch bei "SOS-Mitmensch" dabei und setzen dieses Gedankengut fort. Der Herr Bundesminister befriedigt also einerseits diese Wählerklientel für den 13. Oktober beziehungsweise versucht er – wie ich es sagen würde –, sie einzulullen. Andererseits sagt der Bürgermeister freimütig, daß der Beginn der Lösung die gelegentlich geschmähten Ausländergesetze von Franz Löschnak waren und daß es sich eigentlich um vollkommen richtige Gesetze handelt, da sie den Zuzug tatsächlich begrenzt haben. Es gibt fast eine Nullbilanz. Er spricht die Wahrheit – es gibt diese Nullbilanz der Zuwanderung in Wien.

Das ist etwas, worüber man im politischen Widerstreit unterschiedlicher Meinung sein kann, so wie ich es auch nur für eine semantische Frage halte, ob Österreich ein Einwanderungsland ist oder nicht. Der Herr Bundeskanzler hat dazu heute wider besseres Wissen – ich habe ihn zumindest bis jetzt immer anders verstanden – eine nicht nur der FPÖ, sondern auch dieser Wählerklientel gefällige Interpretation dieser Meinung gegeben. Wir brauchen gar nicht herumzudiskutieren: Österreich ist ein Einwanderungsland. (Zwischenbemerkung des Bundeskanzlers Dr. Vranitzky. )

Vielleicht habe ich Sie falsch verstanden, und Sie verwahren sich gegen den Begriff "klassisches Einwanderungsland"; dieser Begriff kann nur im Sinne von Ländern wie Kanada oder die USA verstanden werden, die auch historisch gesehen eine andere Tradition als Zuwanderungsland haben. Aber Zuwanderungs- beziehungsweise Einwanderungsland bleibt Einwanderungsland. Das beweist nämlich nicht ein Wortspiel, sondern es zeigt ein Querschnitt durch die österreichische Bevölkerung, daß wir das sind und hoffentlich – auch aus egoistischen Gründen – auch bleiben werden. Ich denke da an eine demographische Pyramide. Ich gebe zu, daß es nicht eine Gefühlsduselei oder ein ständiges Sichbesinnen auf Menschenrechte und auf das Recht auf Familienzusammenführung ist, sondern ein rein pragmatischer Gedanke: Was ist mit der Arbeit, die zu tun ist, damit diese Pyramide nicht wirklich einmal auf dem Kopf steht? Diesbezüglich denke ich ganz egoistisch als Österreicherin.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Staberl, Cap, Bundeskanzler Vranitzky, anständige Ausländerpolitik versus unanständige Ausländerpolitik – all das sind meiner Ansicht nach Ausflüsse eines Denkens, das von einem ausgeht, zu dem manche – die Freiheitlichen tun’s, die Sozialdemokraten nicht – stehen: nämlich zu dem Gedankengang, Menschenrechte vom Grad der Fremdheit abhängig zu machen. Es gibt nichts Falscheres als den politischen Ansatz, Menschenrechte vom Grad der Fremdheit abhängig zu machen!

Heute wurde vielfach vom Recht, als Familie zusammenzuleben, geredet. Das ist ein Menschenrecht. Man muß sich ja nicht näher damit befassen, was die Freiheitliche Partei von Menschenrechten hält. Klubobmann Dr. Haider hat erst vor einigen Monaten davon gesprochen, daß man die Europäische Menschenrechtskonvention ja abschaffen könnte, sie sei nicht notwendig. Wozu sollte sie Bestandteil des österreichischen Verfassungsrechts sein?


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