Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 74

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Die jetzige Strategie ist nicht unbekannt, sie paßt ganz genau in die Linie des ersten Volksbegehrens. Herr Dr. Haider ist schon mehrmals mit der wirtschaftspolitisch und arbeitspolitisch unhaltbaren Aufrechnung von Arbeitslosenzahlen und Gastarbeiterbeschäftigung in die Öffentlichkeit getreten. Er hat schon einmal gesagt: "Man sollte aber auch den Mut haben – das ist ein Problem, das sich gerade in Wien ständig stärker stellt –, einmal in Frage zu stellen, ob es denn notwendig ist, daß wir bei derzeit 140 000 Arbeitslosen über 180 000 Gastarbeiter in Österreich haben. Ich finde es beschämend, daß 180 000 Arbeitslose gemeldet sind, während sich noch immer 140 000 Gastarbeiter im Land sind."

Eine solche Gegenüberstellung hat es in diesem Land schon einmal gegeben, nur waren die Feindgruppe damals die Juden, und die Zeit war jene vor 1938. Aber es paßt ganz genau in Ihre kulturpolitische Linie, daß etwa die Landesparteileitung der Freiheitlichen Partei Österreichs Burgenland mit größter Sorge den Zustrom nach Österreich beobachtet: "Dieser ist mit einer bedrohlichen Zunahme von Scheinasylanten, Kriminellen und so weiter verbunden und bringt Probleme mit sich, die die Grundlagen unserer Identität und Kultur untergraben." – Publiziert in der "Aula" im März 1990.

Oder ein gewisser Herr Werner Wittmann – Sie kennen ihn vielleicht – schreibt in den "Kärntner Nachrichten", Ihrem freiheitlichen Organ: "Der Trieb zur Selbsterhaltung, der Instinkt, was westlichen Völkern guttut, werden sich nicht durch noch so eindringliche Appelle der Österreichischen Bischofskonferenz und ihrer Sprecher für unseren Heimatbereich zumindest aufheben und pervertieren lassen. Schließlich ist dieses österreichische Kirchenvolk nicht schuld an dem Vermehrungstrieb und am Zug der menschlichen Lemminge." – "Kärntner Nachrichten" vom 25. April 1991.

Das Volksbegehren ist ein Instrument des Volkes. Es darf nicht das Instrument einer Parteipolitik sein, noch dazu auf Kosten der Steuerzahler, und es darf schon gar kein Instrument gegen die Menschen sein. Ihr patriotisches Geschwätz, dieses Heimatgeschwätz von Menschen, die Österreich als "Mißgeburt" bezeichnen, ekelt mich zutiefst. Österreich ist weder ein Einwanderungsland noch ein Auswanderungsland. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Hunderttausende Österreicher verdienen ebenso ihr Brot im Ausland und wollen vielleicht irgendwann wieder heimkommen. Ein Volksbegehren befreit uns nicht von Wohnungsnot, Mietenwucher oder Spekulation. Ich denke, daß viele FPÖ-Politiker – und hoffentlich nicht illegal – als Unternehmer Ausländer beschäftigen, wie zum Beispiel Herr Prinzhorn ja auch Ausländer beschäftigt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Das politische Asyl hat vielen Österreichern im Zweiten Weltkrieg das Leben gerettet. Ausländische Hilfe hat den Hunger vieler verzweifelter Österreicher gelindert.

Damit Sie sich nicht so empören müssen und damit ich meiner Rede ein klein wenig die Spitze nehmen kann: Herr Karl Valentin hat Herrn Haider zwar nicht gekannt – ich kann nicht bayrisch, ich kann seinen Dialog daher nicht authentisch bayrisch nachmachen –, gestatten Sie mir aber, daß ich eine kleine Geschichte, eine kleine Anekdote zitiere, nämlich "Die Fremden".

"Ein Fremder ist nicht immer ein Fremder." "Wieso?" – "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde." – "Das ist nicht unrichtig. Und warum fühlt sich ein Fremder nur in der Fremde fremd?" – "Weil jeder Fremde, der sich fremd fühlt, ein Fremder ist, und zwar solange, bis er sich nicht mehr fremd fühlt, dann ist er kein Fremder mehr." – "Was sind aber Fremde unter Fremden?" – "Fremde unter Fremden sind, wenn Fremde über eine Brücke fahren, und unter der Brücke fährt ein Eisenbahnzug mit Fremden durch, so sind die durchfahrenden Fremden Fremde unter Fremden, was Sie, Herr Lehrer, vielleicht gar nicht so schnell begreifen werden." – "Und was sind Einheimische?" – "Dem Einheimischen sind eigentlich die fremdesten Fremden nicht fremd. Der Einheimische kennt zwar den Fremden nicht, kennt aber am ersten Blick, daß es sich um einen Fremden handelt." – "Wenn aber ein Fremder von einem Fremden eine Auskunft will?" – "Sehr einfach! Fragt ein Fremder in einer fremden Stadt einen Fremden um irgend etwas, was ihm fremd ist, so sagt der Fremde zu dem Fremden: Das ist mir leider fremd, ich bin hier nämlich selbst fremd. – Das Gegenteil von fremd wäre also unfremd.


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