Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 31. Sitzung / Seite 45

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gangenen Jahr einen Wechsel von acht Ministern und einem Vizekanzler zu verzeichnen. Angesichts dieser Tatsache sind wir im Moment noch gut dran. Wer weiß, was folgt.

In diesen Zusammenhang fällt mir allerdings schon auch auf, daß gerade jene, die mit dem Budget besonders vertraut sind, das Handtuch geworfen haben: Das waren Lacina, Staribacher und Ditz. Das ist bedenklich. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Beim Staribacher protestiere ich!) Aber mit dem Budget war er doch wohl vertraut, oder? – Das ist Ihre Beurteilung, es war Ihr Koalitionspartner. Jedenfalls läßt das für mich bedenkliche Rückschlüsse auf die Budgetwahrheit zu.

Bei Minister Ditz jedenfalls sehe ich eine Konsequenz, die für ihn spricht, nämlich die Konsequenz, die er aus der Reformunfähigkeit, nicht nur der Regierung, sondern insbesondere seiner eigenen Partei gezogen hat. Diese Reformunfähigkeit läßt sich an einer Reihe von Punkten belegen, wobei ich sie auf den Begriff der Politikunfähigkeit, und zwar bei beiden Koalitionsparteien ausdehnen möchte.

Politik heißt gestalten. Lassen Sie mich nur mit einem Schlaglicht folgendes noch einmal Revue passieren: Die Kompetenzaufteilung, die wesentlich für die Gestaltungsfähigkeit gewesen wäre, ist nach dem alten Strickmuster abgelaufen, nämlich nach der alten Farbenlehre, nach dem Muster des Parteienvorteils, denn sonst hätten wir – hinter mir sitzt der Herr Vizekanzler – keine Staatssekretärin im Außenamt, weil an und für sich diese Aufgaben von einem Generalsekretär – als Entlastung – genauso erledigt werden können, und sonst hätten wir das Gesundheitsministerium in das Sozialministerium integriert. Aber ich gebe schon zu, damit hätten wir zwei rote Ministerien zusammengelegt, und das ist offensichtlich nicht im Interesse gelegen – wegen der Zahlen. Wir hätten aber auch nicht – das ist ja eine besondere Kuriosität – das Verkehrsressort dem Wissenschafts- und Kulturminister gegeben.

Diesen mangelnden Gestaltungswillen hat man auch beim Sparpaket gesehen. Und wenn Sie Kollegin Tichy-Schreder zugehört haben, dann werden Sie bemerkt haben, daß sie ihre Ausführungen zwar mit sehr tragender Stimme vorgetragen hat, aber man hat durchaus Freude daraus gehört. Ich war, ehrlich gestanden, versucht, "Amen" zu sagen. Sie hat dem künftigen Minister großes Lob gespendet. Aus diesem Lob ist durchaus – das gestehe ich Ihnen zu, das zu haben – die Freude herausgeklungen, daß es bei Ihnen jetzt einen Wechsel gibt.

Offensichtlich trauen Sie ihm höhere Qualitäten zu und freuen sich daher über den Wechsel. Das hat mich an einen Kommentar erinnert, den Czernin seinerzeit in einem Leitartikel geschrieben hat. (Abg. Tichy-Schreder: Sie kommentieren auch Kommentare!) – Weil sie durchaus mit Recht auch meinungsbildend sind. Ich glaube, daß es auch Sinn macht, sich damit auseinanderzusetzen. ( Abg. Dr. Khol: Ich habe geglaubt, daß Sie meinungsbildend sind!) Nicht alleine, ich glaube, das ist unser aller Aufgabe, und das ist auch die Aufgabe der Medien, und man sollte sich daher kritisch mit ihnen auseinandersetzen, was ich zu tun versuche. – In diesem Zusammenhang hat Czernin seinerzeit geschrieben: Aus lauter Freude hat die Regierung die Politik vergessen.

Das ist genau der Punkt! Sie hat die Politik vergessen, wenn man unter "Politik" versteht, Impulse zu geben, um Orientierung zu schaffen, aber auch Maßnahmen zu treffen, um Strukturen zu schaffen. Und genau das haben Sie beim Sparpaket zum Beispiel nicht getan, sondern Sie sparen einfach. Die Geldbeschaffungsaktion soll alle gleich treffen, Sie differenzieren nicht.

Sie haben – das ist jetzt die Aktualität, die mit hineinspielt – daher auch einen seltsamen Begriff von Reform, denn Vizekanzler Schüssel hat im Zusammenhang mit der angeblichen Gesundheitsreform von einer Jahrhundertreform gesprochen. Es sei die größte Reform, die man seit Jahrzehnten gehabt hat. So ähnlich haben Sie es gesagt. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Nein! "Jahrhundert" habe ich nicht gesagt!) Es ist die größte Reform, die wir seit Jahrzehnten gehabt haben. Es ist schlimm genug, wenn Sie das sagen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Zwischenbemerkung des Vizekanzlers Dr. Schüssel. )

Wenn eine Geldbeschaffungsaktion – damit will ich dieses Politikverständnis ausdrücken (Vizekanzler Dr. Schüssel: Ist es ja nicht!) – von Ihnen verstanden wird als eine der tiefgreifendsten


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