Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 40

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Mit diesen Gesetzen wurden die EU-Richtlinien nachvollzogen. Problemkreis Nummer eins: der Patient, Problemkreis Nummer zwei: die Ärzte, Problemkreis Nummer drei: die Kontrollinstanzen.

Problemkreis 1: Die 17jährige Mittelschülerin Susanne hat Migräneanfälle. Die bohrenden Schmerzen in den Schläfen werden immer stärker; dann und wann werden sie mit Aspirin behandelt. – Als Psychologiestudentin und später als Assistentin mit einem Auftrag für Forschungsprojekte wurden die Anfälle immer häufiger und die Schmerzen intensiver. Man griff nach Thomapyrin, geholfen hat dann nur mehr Dolomo. Im neuen Job als Lehrerin wollte sie nicht nur das Erforderliche, sondern das Optimale leisten – wie das halt so ist. Die Energie dazu brachte die Lehrerin dann nur mehr mit sechs Tabletten pro Tag auf, dazwischen wurden codeinhaltige Hustensäfte und morphinähnliche Präparate genommen.

Auf einer Überdosierung mit Tramal reagierte die Patientin mit einem epileptischen Anfall, ich als Arzt reagierte damals mit einer Einweisung in eine Entziehungsanstalt. Danach folgte die beinahe klassische Pillensucht-Biographie: kurze Enthaltsamkeit – Alkoholismus – Beziehungskrisen – neuerlicher Entzug. Mit rührseligen Geschichten wurden die Apotheker hereingelegt, ohne Rezept wurde ihnen immer wieder ein neues Präparat herausgelockt. Für diese Frau wurden die ursprünglichen Segnungen der Pharmaindustrie, die die Menschen von manchen Geißeln befreit, da nicht gewissenhaft verwendet, zum Fluch.

Dieses Beispiel zeigt, daß es abgesehen von kleinen und großen Mißbräuchen auch eine enorme Fülle von Gesundheitsleistungen gibt, die sinnlos vergeudet werden. Sie werden vom Patienten in ihrer Wichtigkeit gar nicht erkannt, daher nur halb durchgeführt, vernachlässigt oder doppelt und dreifach konsumiert. Das ist in unserem Gesundheitssystem so sehr gang und gäbe, daß es ebenfalls zu der riesigen Defizitsumme beiträgt.

Problem Ärzte: Das "Spannende" an der Medikamentensucht, so meint der Kalksburger Primar Wilhelm Burian, ist, daß sie von den Ärzten induziert und zumindest mitverursacht wird. Hunderttausende deutsche Bundesbürger sind tranquilizerabhängig, 40 Prozent davon sind es durch ärztlich angeleitete medizinische Behandlungen geworden, die entweder ungezielt oder zu langfristig durchgeführt wurden. Dies berichtet die Zeitschrift "Die kranke Medizin" in Deutschland.

Der Mißbrauch von ärztlich verordneten Drogen ist nach den Daten der amerikanischen Behörden in den USA für mehr Drogenschäden – bitte, passen Sie jetzt auf! – und für mehr Drogentote verantwortlich, als der Konsum aller illegalen Drogen zusammengenommen!

Fast 60 Prozent aller ärztlichen Notfälle in Fällen von Drogenmißbrauch und 70 Prozent aller einschlägigen Todesfälle lassen sich auf verschreibungspflichtige Medikamente zurückführen! – Dies alles geht auf Kosten der Gesellschaft.

Es gehört zum Alltag der in Österreich tätigen Ärzte, daß Patienten mit Plastiksackerln – nein, nicht mit Plastiksackerln, sondern mit Plastiksäcken – voll verschiedener Medikamente kommen, die ihnen verschiedene Ärzte verordnet haben. Diese Pillen bleiben teilweise liegen. Wir wissen, daß Medikamente im Wert von ungefähr sechs Milliarden Schilling in den Nachtkästchen liegen – von den 15,2 Milliarden Schilling, die wir laut Budget dafür ausgeben. Teilweise werden sie auch unkontrolliert durcheinander genommen. Da weder der Arztbesuch noch das Medikament für den Patienten klar ersichtlich etwas kostet, wird es auch nicht geschätzt – überhaupt nicht! Man geht eben zu mehreren Ärzten, läßt sich mehrere Medikamente, verschiedene Medikamente verschreiben. Durch Beharrlichkeit der Patientenwünsche werden Ärzte oft zum Rezeptschreiben verleitet. Oft verordnen sie lieber gleich das Gewünschte, als sich auf langwierige Erklärungen einzulassen und dann noch einen enttäuschten Patienten zu verlieren. – Das liegt an unserem System, und dieses System müßte eigentlich verändert werden! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Motter und Wabl .)

Dritter Problemkreis: Kontrollinstanzen. Den ständig fluktuierenden Pharmamarkt unter Kontrolle zu halten, ist bisher nicht wirklich gelungen. (Abg. Wabl: Ich hätte mehr applaudiert, wenn Sie


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