Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 32. Sitzung / Seite 109

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schätzen, ob der Bahnsteig nun links oder rechts ist. Es ist nun schon einige Male passiert, daß blinde Menschen auf der falschen Seite ausgestiegen sind. Eine gute Freundin von mir – sie war blind – ist letztes Jahr von einem Zug überrollt worden und gestorben. Auch darauf hat man überhaupt nicht reagiert, es hat sich überhaupt nichts geändert.

Auch mit dem System bei den neuen Waggons, wo man drückt, damit die Tür auf- oder zugeht, können blinde Menschen nichts anfangen, weil sie keine Rückmeldung bekommen, welchen Knopf sie gedrückt haben, ob die Tür jetzt offen oder geschlossen ist. Auch da ist es jetzt inzwischen schon dazu gekommen, daß Menschen gedacht haben, die Tür sei zu, sie war aber offen, und sind hinausgefallen. Es war aber auch schon der Fall, daß blinde Menschen geglaubt haben, die Türe sei offen, sie war aber zu, und sind beinhart gegen die Türe gerannt.

Dann kommt noch eines dazu: Im Bereich des Einstiegs in den Waggon ist nur ein schmaler Gang, und da kann kein Mensch mit dem Rollstuhl vorbei. Es gäbe da eine ganz einfache Lösung: Man könnte an der Waggontür eine Klappe anbringen, die sich über diese Fallgrube legt, wenn der Zug fährt. Damit würden Sie ein hohes Verletzungsrisiko ausschließen, aber auch diesbezüglich ist nichts passiert.

Das, was ich Ihnen hier erzähle, ist nicht etwas, das völlig neu ist oder wovon die ÖBB nichts gewußt haben, sondern das sind Forderungen von behinderten Menschen, Forderungen, die seit Jahren auf dem Tisch liegen und die seit Jahren ignoriert werden.

Herr Minister! Ich möchte Sie noch etwas fragen, vielleicht können Sie mir auch darauf spontan antworten: Wie stellen Sie sich einen barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr vor? So, wie wir behinderte Menschen uns den vorstellen, ist es anscheinend von seiten der ÖBB nicht möglich; es ist offensichtlich nicht möglich, unsere Minimalforderungen für einen barrierefreien öffentlichen Personennah- und -fernverkehr zu erfüllen.

Wenn Sie sagen, die Bahn hätte keine Möglichkeit, für behinderte Menschen eine Beförderung sicherzustellen, daß sie mit dem Zug, mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fahren können, dann müßten Sie auch klar sagen, daß Sie behinderte Menschen wieder aus den Zügen haben wollen, daß Sie auf dieses Potential an Fahrgästen ohne weiteres verzichten können. Aber auch diese Aussage kennen wir nicht, es wäre jedoch eine Form der Seriosität, uns zumindest davon in Kenntnis zu setzen, daß wir nicht gewollt werden. Wenn es Ihnen ein Anliegen ist, daß wir weiterhin mit dem Zug fahren, dann ersuche ich Sie, wirklich dafür Sorge zu tragen, daß Sie uns das Zugfahren auch in Zukunft ermöglichen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Peter. )

Herr Minister! Es ist dies keine Weisheit von mir, sondern es wäre ein praktischer Beitrag, der jederzeit von seiten der ÖBB erfüllt werden könnte: Was halten Sie davon, in jedem Zug eine Hubplattform oder Einstiegshilfe mitzuführen? Damit hätten Sie das Problem, das ich vorhin geschildert habe, gelöst, und dann könnte der Schaffner mich auch an unbesetzten Bahnhöfen beziehungsweise Haltestellen aus- und einladen. Damit könnte ich auch dort aussteigen, wo der Bahnhof über keine Einstiegshilfen verfügt. Sie bräuchten nur in jedem Zug eine einzige Hubplattform mitzuführen – in dem großen Paketwagen hätte sie Platz. – Das stelle ich mir als Zwischenlösung vor, die sofort angegangen werden kann.

Als Lösung, um wirklich barrierefrei in den Zug zu kommen, gibt es ausschließlich die Möglichkeit der wagengebundenen Einstiegshilfen. Auch das ist keine Forderung, die nicht verwirklicht werden könnte. Diese wagengebundenen Einstiegshilfen gibt es bereits in anderen Ländern. Nur Österreich müßte endlich einmal bereit sind, sich wirklich dafür auszusprechen, daß diese Einrichtungen auch angekauft werden. Bis jetzt sind sie aufgrund folgender Begründung nicht angekauft worden: Eine wagengebundene Einstiegshilfe benötigt zusätzliche Wartungstätigkeit, weil die Hubplattform notgedrungen auch manchmal geölt und überprüft werden muß.

Wenn das der Grund dafür ist, daß man diese wagengebundenen Einstiegshilfen nicht anschafft, dann, glaube ich, müssen wir den nächsten Rückschritt machen, indem wir aus den elektrisch zu öffnenden Türen wieder Holztüren machen, denn auch die elektrisch zu öffnenden Türen sind wartungsbedürftig, ja das ganze Abteil ist wartungsbedürftig, sogar der ganze Zug ist


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