Herr Kollege Kostelka! Zwei Dinge sehe ich durchaus bei dieser Reform positiv: daß die Möglichkeit geschaffen wurde, elektronische Abstimmungsanlagen zu installieren, und daß zum zweiten Abstimmungen dann, wenn das Croquis nicht vorhanden ist, auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden können, damit wir uns Abstimmungsschlamassel ersparen, die in der Vergangenheit in diesem Hause auch dazu beigetragen haben, daß das Ansehen des Parlaments nicht gerade gewachsen ist. (Zwischenruf des Abg. Kiss .) Ob das ausreicht, Herr Kollege, diese Reform insgesamt zu begrüßen, wage ich zu bezweifeln.
Eines erscheint mir aber schon erwähnenswert: Bei den Debatten wurde es von allen Rednern – und ich nehme an, es werden sich auch einige Nachredner die Protokolle der letzten 40 Jahre zu Geschäftsordnungsdebatten angesehen haben – immer bis 1993 als unbestreitbarer Vorteil angesehen, daß alle hier mitgewirkt haben und daß die wichtigsten Reformen in diesem Hause von der Gemeinsamkeit und auch von der gemeinsamen Optik geprägt waren, nämlich nicht aus der Sicht der Regierung oder aus der Sicht der Opposition das Parlament zu betrachten, sondern aus der Sicht jedes einzelnen. (Zwischenruf des Abg. Wabl .)
Herr Kollege Wabl, Sie haben ja dann Zeit, Ihre Ansicht hier darzulegen, auch Ihre Ansichten über die Vergangenheit darzulegen, Ihre eigenen Reden, Ihr wechselndes Bild zur vorliegenden Reform und die wechselnden Haltungen, die Sie bei den vorherigen Reformen – zur Redezeit etwa – eingenommen haben, die nachzulesen sind und die Ihren heutigen Bemühungen, diese Reform mitzutragen, einfach – wie am Beispiel der Redezeiten zu sehen – diametral entgegengesetzt sind. Die Dokumente liegen im Parlament, nachlesbar für jeden, auf. Es sind Zeitdokumente, die von jedem nachgelesen werden können. Und Sie haben das Problem, Ihre Änderungen Ihren Wählern, Ihren Parteimitgliedern und auch den Angehörigen Ihrer eigenen Fraktion irgendwann einmal darzulegen und zu erläutern. Das ist nicht mein Problem.
Mein Problem ist eigentlich, daß die wichtigsten Rechte der Opposition in diesem Parlament für mich deutlich und klar beschnitten worden sind. Die Ausgangslage der Reform war doch, bei der Besetzung der Spitze des Rechnungshofes durchaus der Opposition in entsprechender Form das Besetzungsrecht einzuräumen. Kein Wort davon in dieser Reform.
Bei der letzten Reform wurde die Idee eines kleinen Untersuchungsausschusses verwirklicht, des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses. Er ist heute noch immer ohne Geschäftsordnung. Aber Herr Klubobmann Kostelka sagt, daß die Rechte der Opposition, auch die Rechte der beiden kleinen Oppositionsparteien, hier mit in Betracht gezogen und ausgeführt worden sind. Vielleicht ist der Grund darin zu suchen, daß die Obfrau dieses kleinen Untersuchungsausschusses, so wie er gesehen wurde in der letzten Reform, keine Angehörige der konstruktiven Opposition, sondern eine Angehörige der großen Opposition, nämlich der Freiheitlichen Partei, ist, daß man daher gar nicht wollte, daß dieser kleine Untersuchungsausschuß jemals arbeiten kann und jemals tätig werden kann. Das ist ein eklatantes Problem, glaube ich, das unser Parlament jetzt schon seit zwei Jahren mitführt.
Die Öffentlichkeit im Europaausschuß war bisher schon gegeben. Im Europaausschuß waren die Protokolle öffentlich. Zwar keine Wortprotokolle, aber die gesamten Protokolle. Nunmehr werden Teile – und das halte ich durchaus für gut, Kollege Schieder, das haben wir von den Dänen, glaube ich, sehr gut abgeschaut – dort, wo die Regierung Bindung bekommt, nicht mehr öffentlich sein, damit sich unsere europäischen Verhandlungspartner nicht darauf einstellen können. Aber es wird gleichzeitig diese Nichtöffentlichkeit ein Recht der Mehrheit sein. Es wird das ein Recht der Mehrheit sein, und die Mehrheit wird darüber entscheiden.
Und so, Herr Kollege Schieder, kann es nicht sein, daß es dann der Herr Kollege Kostelka als Minderheitsrecht verkauft. Heute sind alle Beiträge, die von allen Oppositionsparteien und die von den Regierungsparteien, zwar nicht Wort für Wort, aber sinngemäß für jeden nachlesbar. (Abg. Schieder: Aber die Vertraulichkeit muß auch mit Mehrheit beschlossen werden!) Dann, Herr Kollege Schieder, wird, wenn ein Thema auf der Tagesordnung ist, das die Regierung interessiert, die qualifizierte Mehrheit beschließen, wer, je nach Raumlage, die Parlamentsmitarbeiter oder Zeitungen oder wer immer, als Öffentlicher zugelassen wird. Aber die Mehrheit wird das beschließen. (Abg. Schieder: Aber jetzt doch auch! Wenn es die Mehrheit beschlossen hat!)