Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 195

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

rungsanliegen überbrückt hat. Ich greife gern auch eine Äußerung des Kollegen Khol auf, der gesagt hat, er hat sich auch überlegt, ob er, wenn ein Rollentausch stattfände, dann mit dieser Geschäftsordnung auch leben könnte, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, daß es eine redliche Überlegung war.

Was ist jetzt das Aufregende an dieser Einigung? – Das Aufregende ist offenbar, daß eine Fraktion zu dem Ergebnis gekommen ist, daß sie für ihre politischen Stilmittel das braucht, was jetzt geändert wird. Man kann eben eindeutigerweise andere Menschen in einer bestimmten Weise vorführen und viel besser diffamieren, wenn man die Instrumente zur Verfügung hat, die bis jetzt in Kraft sind, wenn man eben zum Beispiel mitten in die Debatte um eine Bezügereform eine dringliche Anfrage hineinschieben kann, die sozusagen die Debatte verdoppelt, in dem Bewußtsein, daß man dadurch zu einem Zeitpunkt, zu dem eine hohe mediale Aufmerksamkeit möglich ist, noch einmal den Erstredner einer Dringlichen stellt und den Ersterwiderer einer Dringlichen stellt, also den normalen Redefluß, die normale Abfolge der Redner unterbricht.

Wenn eine dringliche Anfrage sozusagen dazu verkommt, daß sie dazu verwendet wird, daß man mit einem bestimmten Timing die Reihenfolge der sonst vorhandenen Rednerlisten verändern kann, dann ist sie kein Oppositionsrecht, sondern dann ist sie ein Instrument zur Verwendung von Stilmitteln, die mit Parlamentarismus nichts zu tun haben, sondern nur mehr mit Schaubühne. Das ist aber eben etwas, was eine Oppositionspartei mit dem Verständnis des Liberalen Forums nicht nachvollziehen kann. Denn für uns ist das Parlament natürlich ein Ort der öffentlichen Auseinandersetzung, aber keine Schaubühne, auf der ausschließlich nach dem Timing von Medienerfordernissen und ausschließlich nach dem Gesichtspunkt, was spektakulär und überschriftentauglich ist, diskutiert wird, sondern wo es um inhaltliche Auseinandersetzungen geht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich sage es Ihnen als jemand, der wirklich gerne redet und der auch in dem Ruf steht – nicht gerade in diesem Haus, aber sonst –, gelegentlich sogar zu lange zu reden, daß es eben, wenn man sich diszipliniert, möglich ist, in den nunmehr vorgesehenen Redezeiten durchaus das zum Ausdruck zu bringen, was man zum Ausdruck bringen möchte. Es ist nicht notwendig, in jeden Satz noch drei Beschimpfungen einzubauen. Es ist nicht notwendig, nach jedem Argument außerdem noch vier oder sechs Beleidigungen anzuhängen. Es ist nicht notwendig, 17 Redner zu schicken, die eigentlich nur mehr das wiederholen, was die jeweils 16 vor ihnen, 15 vor ihnen, 14 vor ihnen gesagt haben. Das ist nicht politisches Argumentieren, das ist Agitieren. Natürlich gehört auch die Agitation als ein gewisses Element in eine Debatte, aber das muß eine Agitation sein, die inhaltlichen Sinn macht, die nicht nur auf stereotypes Wiederholen hinausläuft, die sozusagen das Modell der tibetanischen Gebetsmühle hier an dieses Rednerpult versetzt. Das ist nicht der Sinn der Auseinandersetzung.

Wenn hier die Möglichkeit, daß die Ausschüsse in Zukunft öffentlich sein werden, von den Kollegen von der Freiheitlichen Partei so heruntergespielt wird, so sage ich Ihnen: Wenn die Öffentlichkeit grundsätzlich unter den in der Geschäftsordnung vorgesehenen Rahmenbedingungen möglich ist und natürlich auch gelegentlich ausgeschlossen werden können muß, dann stehen diejenigen, die die Öffentlichkeit vielleicht einmal ausschließen wollen, unter einem hohen Öffentlichkeitsdruck. Denn man wird den Journalisten dann erklären müssen, warum diese Sitzung, obwohl sie normalerweise öffentlich gewesen wäre, nicht öffentlich sein wird.

Allein dieses Korrektiv ist ein gutes Korrektiv, und ich meine, es wäre eben durchaus sinnvoll, sich mit den positiven Seiten dieser Reform zu beschäftigen und nicht ausschließlich in der Diktion des Kollegen Krüger Worte zu verwenden wie "Anschlag auf den Parlamentarismus", "Judaslohn", "Appendix" und "alle Demokraten waren entsetzt".

Das war der härteste Ausspruch des Kollegen Krüger. Die anderen Ausdrücke, die er verwendet hat, sind die ihm eigenen Stilmittel. "Anschlag auf den Parlamentarismus" und "Judaslohn" – das ist Krüger im Originalton. Aber für sich mit einer Arroganz sondergleichen in Anspruch zu nehmen, daß alle, die mit dieser Geschäftsordnungsreform einverstanden sind, keine Demokraten sind – weil nicht entsetzt offenbar, denn nur jemand, der entsetzt ist über diese Reform, ist ein Demokrat –, das ist dieses ganz, ganz primitive Schwarz-Weiß: Wir die Guten, alle anderen die Bösen. (Ruf bei der SPÖ. Unerhört!) Und sei die Mehrheit noch so groß! Wenn sie nicht die Mei


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite