Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 120

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16.44

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es gibt Menschen, die sagen, sexuellen Mißbrauch von Kindern hat es immer gegeben, und auch solche Menschen, die mit ihrer Abartigkeit Geld verdienen. Heute gibt es überwiegend mehr Menschen, die behaupten, daß in Österreich jedes dritte bis vierte Mädchen und jeder siebte bis achte Bub Opfer sexueller Gewalt wird oder geworden ist. Fest steht für mich jedenfalls eines: Eine Gesellschaft, die nicht imstande und nicht gewillt ist, ihre Kinder zu schützen, hat sich bereits selbst aufgegeben.

Mir fällt in diesem Zusammenhang eines auf: Ausgerechnet vor Wahlen empfinden es die Regierungsparteien als ein Anliegen, für diesen Schutz der Kinder einzutreten. Wir Freiheitlichen kämpfen seit Jahren dafür. Unsere Anträge hat man bisher immer negiert und abgelehnt, und erst unter dem Druck der jüngsten Ereignisse ist nun ein Dringlicher Antrag der Regierungsparteien entstanden, der wohl in der Problematik äußerst dringlich, aber von den Lösungsansätzen her – und ich sage das laut und deutlich – mickrig und einfallslos ist. Er besitzt nur eine aufschiebende Wirkung. Nicht einmal ein Zeitrahmen für die Erledigung dieser Untersuchungen ist vorgegeben.

Ich kann für mich nur sagen: Ich bin von diesem Antrag maßlos enttäuscht, wirklich maßlos enttäuscht, nach all den vollmundigen Ankündigungen, die von den Politikern beider Regierungsparteien zu dieser Problematik in der letzten Zeit in den Medien zu lesen waren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bin auch grenzenlos enttäuscht von den Wortmeldungen meiner Vorrednerinnen aus der ÖVP, die hier eine angebliche Betroffenheit zur Schau stellen und sich dann für einen solchen Dringlichen Antrag zur Verfügung stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Für mich allerdings ist diese Entwicklung nicht besonders verwunderlich. Und es ist auch nicht verwunderlich, daß man ganz bewußt von seiten meiner besagten Vorrednerinnen nicht bereit war, die Ursachen dieser Entwicklung zu diskutieren. Aber über diese Ursachen muß diskutiert werden, wenn wir wirklich Lösungsansätze haben wollen, etwa über die Auszehrung der Familien, und daran ist die österreichische Politik mitschuldig, oder etwa über die geringe Präsenz und Verunsicherung der Eltern – da hätte man gegensteuern können, oder etwa über die Ignoranz der Eltern ihren Kindern gegenüber. Aber es war ja gesellschaftlich erwünscht, im Bereich dieser Laissez-faire-Erziehung auch die sexuelle Freizügigkeit anders zu bewerten!

Man sollte auch über das Aufgeben von moralischen Werten diskutieren, wie zum Beispiel der Verantwortung, die wir nicht nur unseren Kindern gegenüber haben – aber sicher ihnen gegenüber am meisten –, sondern auch der gegenseitigen Verantwortung. Damit meine ich das Wegschauen, wie es auch der Herr Bundesminister bezeichnet hat. Diese Ursachen sind unbedingt anzusprechen, wenn jetzt überall der Ruf nach schärferen Gesetzen, nach mehr Therapie, nach mehr Opferschutz laut wird.

Solange es jedoch in Österreich so ist, daß Lehrer, Jugendämter, Exekutivorgane Informationen, die sie erhalten, wenn überhaupt, dann verspätet weitergeben, daß Ärzte nach wie vor nicht dazu angehalten werden, Anzeige zu erstatten, daß man diese im § 84 Abs. 1 bestehende Ausnahmeregelung der Anzeigepflicht immer mißverständlich auslegt – bewußt oder unbewußt, das möchte ich hier nicht beurteilen, aber es gibt nur diese eine Ausnahmeregelung, und diese ist in diesem Fall bitte nicht anzuwenden –, wenn man Täter nach wie vor zuerst nicht anzeigt und dann, wenn sie gefaßt werden, noch mit einem geringen Strafausmaß bedenkt, solange es so ist, daß man das Ganze eher als Kavaliersdelikt behandelt und der Verdienst- und Lustentgang für die Täter dann, wenn sie schon zur Verantwortung gezogen werden, nur ein kurzer ist, so lange braucht man sich, glaube ich, nicht zu wundern. Dann wird man auch nicht die Spruchpraxis der Gerichte überprüfen müssen.

Wenn Herr Bundesminister Einem uns Freiheitlichen in einer Anfragebeantwortung mitteilt, daß es im Falle des Mißbrauchs einer 17jährigen Türkin keine Informationen gegeben hat, dann ist


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