Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 37. Sitzung / Seite 151

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ausweichen kann. Man sagt: Okay, löse einen Gewerbeschein, dann bist du Selbständiger, und wir haben keine Werkvertragsprobleme. So weit geht das! Ob einem das gesellschaftspolitisch gefällt oder nicht, meine Damen und Herren, das ist die Entwicklung in der Praxis. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Das zweite ist, meine Damen und Herren, daß gerade der Personenkreis, der hier angesprochen ist, nämlich die Kolporteure und Hauszusteller, diese klassischen Merkmale der Selbständigkeit im Grunde genommen haben. Es gibt hier Verträge, die, ich würde sagen, der "große Guru des Arbeitsrechtes", Professor Strasser, geprüft hat. Das sind Verträge, wo der Betreffende nicht zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet ist. Das geht so weit, daß manche Verträge haben und überhaupt keine Arbeitsleistung erbringen, sondern diese Arbeitsleistung erbringen Verwandte, Bekannte, Familienangehörige. Also da ist nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis die Rede, obwohl natürlich nach der Judikatur im Grunde genommen diese Elemente in jedem Einzelfall zu prüfen sind. Aber es war sicherlich der politische Wille, hier nicht Tausende Fälle kasuistisch zu prüfen, sondern zu sagen: So wie es viele andere Ausnahmen gibt, nehmen wir diese Gruppe global als Gruppe aus, dann ersparen wir uns Tausende kasuistische Rechtsstreitigkeiten.

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich schon auch sehr deutlich sagen: Wenn wir den sozialen Schutz möglichst stark ausgeweitet haben wollen, dann bekenne ich mich dazu, aber – und das sage ich gerade dem Liberalen Forum –, dieser soziale Schutz darf keine Zwangsbeglückung sein. Es geht hier primär um Personengruppen, die 2 000 S, 3 000 S und 4 000 S verdienen und nicht 30 Prozent weniger bekommen wollen, weil sie auch Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Denken Sie auch an diese Menschen! Das ist für mich liberales Gedankengut, keine Zwangsbeglückung. (Ruf beim Liberalen Forum: Genau darum geht es uns!) Sozialer Schutz dort, wo ihn die Betreffenden haben wollen – das wäre an sich liberales Gedankengut. Aber nur darüber zu lachen, Herr Kollege Peter, das ist leider zuwenig. Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir als Volkspartei sind für die soziale Sicherheit, aber nicht im Sinne einer Zwangsbeglückung für die Betroffenen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gemeldet ist nunmehr Abgeordneter Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter. Redezeit: 5 Minuten.

19.03

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Stummvoll! Wenn Sie etwas erklären wollen, kann man es sogar an meinen Haaren herbeiziehen – oder an Ihren, wie immer Sie wollen. Sie haben uns jetzt tatsächlich erklärt, Herr Stummvoll, die Kolporteure seien selbständige Unternehmer. Sie können ihre Zeitungen verkaufen, wo sie wollen und zu welcher Uhrzeit sie wollen. Sie haben also alle klassischen Merkmale eines Unternehmers, und – so hat Stummvoll noch hinzugefügt – man könne doch nicht in jedem einzelnen Fall prüfen, ob der Kolporteur jetzt Unternehmer ist oder nicht, denn der eine steht an der Opernkreuzung und der andere am Ring, und das sei doch ganz etwas anderes.

Mein Gott, gebt doch endlich einmal zu, liebe Kollegen und Kolleginnen von ÖVP und SPÖ: Ihr habt vor Herrn Dichand einen Kniefall gemacht. Aber wenn ihr ihn schon gemacht habt, dann habt doch wenigstens den Mut, es zuzugeben. Aber diese ewigen Schutzbehauptungen, das larmoyante Herumreden, das wären wirklich Unternehmer, ist doch unerträglich. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Stummvoll: Echt liberale Gesinnung!)

Jetzt kommt das nächste Argument, meine Damen und Herren: Wenn wir diese "Krot" der Werkvertragsregelung schlucken müssen, weil das soziale Netz eine zu schmale Bemessungsgrundlage hat, weil wir das soziale Netz auf eine breitere Basis stellen wollen, weil, wie Herr Minister Hums sagt, es richtig und notwendig ist, daß der soziale Schutz für alle gegeben ist, so kann man doch nicht sagen, die Kolporteure, die im Regen und im Dreck stehen und die angeblich Unternehmer sind und sich ihre Zeitungen abholen dürfen, brauchen den sozialen


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