Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 125

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

19.01

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde Ihnen jetzt, zu dieser Stunde, ersparen, daß ich Ihnen die Leidensgeschichte der Bildung der Europäischen Betriebsräte, die Chronologie der Ereignisse erzähle, Ihnen erzähle, wie viele Jahre es gedauert hat, bis nach langem Bitten und Betteln – anders kann man es nicht bezeichnen – die Bildung von Europäischen Betriebsräten doch endlich durchgesetzt werden konnte. Aber um welchen Preis? Den Preis gibt es schon noch: Die Europäischen Betriebsräte haben Anhörungs- und Informationsrechte, Kollege Koppler. (Abg. Koppler: Erster Schritt! – Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.) Ein erster Schritt, sagst du. Du weißt aber, daß das für lange Zeit der letzte Schritt ist. (Abg. Koppler: Ich hoffe es nicht!) Wir werden wieder Jahrzehnte warten, bis wir über dieses Stadium hinauskommen. Du weißt, was es heißt, nur Anhörungs- und Informationsrechte zu erhalten, die noch dazu relativ ungenau definiert sind.

Ich denke, es ist trotzdem ein erster Schritt, ein sehr, sehr bescheidener Schritt. Aber das, was mich an diesem ersten kleinen, bescheidenen Schritt ärgert, ist, daß er durch diese Erbsünde, die wir mit dem passiven Wahlrecht hineintragen, wirklich unattraktiv wird. Es ist ja schon fast erbärmlich, daß folgende Situation auf europäischer Ebene möglich ist: Für einen Konzern, der zum Beispiel aus deutschen und österreichischen Zweigbetrieben besteht, kann von deutscher Seite her ein österreichischer Betriebsrat teilnehmen – und solch österreichische Betriebsräte gibt es etliche in Deutschland –, weil er dort das passive Wahlrecht hat, aber von österreichischer Seite her darf kein türkischer Betriebsrat teilnehmen. Von deutscher Seite her darf nicht nur ein Österreicher teilnehmen, sondern auch ein Türke, von österreichischer Seite her darf zwar ein Deutscher teilnehmen, wenn es einen gäbe, aber ein Türke darf nicht teilnehmen. – Das ist erbärmlich.

Es muß klipp und klar gesagt werden, daß es nicht geht, daß wir jetzt, wenn wir sozusagen die große Europäische-Betriebsräte-Frage zumindest in einem ersten Schritt zu regeln versuchen, wieder das kleinkarierte Europa zeichnen, das nur aus den 15 Mitgliedstaaten bestehen darf und in dem die Bürger, die außerhalb dieses Europas der EU liegen, nichts mitzureden haben – zumindest nicht in dem Sinn, daß sie selbst kandidieren dürfen. – Das ist – um es noch einmal zu sagen – wirklich erbärmlich und tut dem Gesetz auf Dauer nicht gut.

Es könnte irgend jemand, der etliche internationale Verträge auch außerhalb der EU unterschrieben hat, auf die Idee kommen und tatsächlich einmal fragen, ob dieses Gesetz in dieser Hinsicht legitimiert ist und ob wir die internationalen Verträge wirklich so einhalten, wie dies in dieser Frage notwendig wäre.

Ich brauche ja kein Geheimnis zu verraten; jeder weiß, daß wir sie nicht einhalten. Die Klagslegitimation bei völkerrechtlichen Verträgen ist das Problem. Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, daß Österreich in dieser Frage seine internationalen Verträge verletzt, aber klagen könnten nur Kollege Koppler, sprich: der ÖGB – das bist du nicht, ich weiß es schon –, die Arbeiterkammer oder eine andere Interessenvertretung. Nachdem diese es nicht tun, weil sie es ja selbst für richtig befinden oder zumindest für nicht ganz so falsch, wird auch nichts weiter geschehen. – Das ist zu diesem Kapitel Europäische Betriebsräte und zu der wirklich erbärmlichen Regelung in bezug auf das passive Wahlrecht zu sagen.

Das, was Kollege Kier in bezug auf das Post-Betriebsverfassungsgesetz gesagt hat, möchte ich noch einmal unterstreichen, weil mich die Ankündigung unseres Herrn Ministers in der Ausschußsitzung nicht sehr beruhigt hat, nämlich daß es langfristig zur Abschaffung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes und zu seiner Eingliederung in das Arbeitsverfassungsgesetz kommen werde. Diese langfristige Erlösung, die er uns angekündigt hat, empfinde ich eher als Bedrohung. Ich würde ihn doch sehr bitten, diese langfristige Orientierung – gerade angesichts der Amtszeit von Ministern und der Amtszeit, die wir hier im Haus haben – doch in eine kurz


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