Der Lehrling soll in seiner Berufsschulzeit so behandelt werden, wie er behandelt wird als Schüler in der sekundären Bildungsstufe mit allen sozialrechtlichen und ausbildungsrechtlichen Verpflichtungen. Es ist nun einmal das Thema, daß eine zunehmende Anzahl von Betrieben sagt – es gibt da Untersuchungen –, wir können uns die Lehrlingsausbildung mit diesem Kostenbild heute nicht mehr leisten. Es ist in den meisten Betrieben, in vielen zumindest, das Fett draußen. Lean-management ist angesagt. Jeder durchforstet seine Kostenstruktur. Vor allem in den Betrieben, die aufgrund einer natürlichen Fluktuation den Lehrling, den sie ausbilden, nicht als jungen Facharbeiter in ihrem Betrieb behalten, schlagen die Ausbildungskosten besonders durch.
Auf der anderen Seite steht selbstverständlich – Frau Präsidentin Tichy-Schreder sprach davon, Kollege Dolinschek auch – die Unmöglichkeit, Lehrlinge wirklich einzusetzen, weil wir eine Summe von Vorschriften gemacht haben, die möglicherweise gut gemeint waren, aber da und dort – und das ist zu überprüfen – ihre Sinnhaftigkeit verloren haben.
Meine Damen und Herren! Der wirkliche Zugang ist die volle Gleichstellung des Lehrlings im sekundären Bildungsweg, die Trennung von Berufsschulzeit und Lehrzeit im Betrieb, und zwar inhaltlich, zeitlich, entgeltlich, und vor allem die vollkommene Umgestaltung der Berufsschule. Die Berufsschule hat genügt in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren. Die duale Ausbildung war erfolgreich, gar keine Frage. Nur, sie muß weiter erfolgreich sein mit neuen Strategien.
Sprachen für alle jungen Mitarbeiter, Lehrlinge, Auszubildende, Schüler in der sekundären Bildungsstufe. Neben wirklich guten Deutschkenntnissen – es ist bedauerlich, daß ich das sagen muß, es ist keine Selbstverständlichkeit – ist Englisch die zweite Sprache, die wir in einem weltweiten Wettbewerb in der Europäischen Union brauchen.
Als dritte Grundkenntnis, meine ich, sollte jeder von uns in seinem Bundesland die Sprache lernen, die über seiner Grenze gesprochen wird. Was hindert einen Burgenländer daran, Ungarisch – zumindest die Grundkenntnisse – zu lernen, einen Oberösterreicher, etwas Tschechisch zu lernen? Nur dann werden wir die Grenzen vergessen können, nur dann wird die Erweiterung der Europäischen Union auch sprachlich ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger .) Lieber Dr. Puttinger, Sie haben Glück. Bei Ihnen fällt mir aber auch eine Sprache ein. Bei den Kärntnern fiele mir Slowenisch ein, bei den Tirolern fiele mir Italienisch ein. Wollen wir nicht dieses gemeinsame Europa? Wollen wir nicht die Osterweiterung? Dann werden wir aber auch die Sprache unserer Nachbarn zumindest in Grundkenntnissen sprechen müssen. Man sage mir also nicht, es gehe uns der Inhalt aus von dem, was wir die Lehrlinge in der Berufsschule lehren sollen. (Beifall beim Liberalen Forum und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Die Lehrlingsausbildung ist eine viel zu wichtige Frage, als daß wir an dem bestehenden System nur in kleinen Reformen herumdoktern dürfen. Wir müssen eine wirklich grundsätzliche Reform einleiten, um die Betriebe wieder dazu zu bringen, daß sie mehr ihrer Verpflichtung, der Ausbildung, gerecht werden. Wir müssen uns die Motive der Betriebe anschauen, die dazu geführt haben, daß sie mit der Lehrlingsausbildung aufgehört haben.
Da gibt es drei Ebenen: Das eine sind die hausgemachten österreichischen Faktoren. Die wichtigsten: 68 Prozent sagen, daß die Regelungen im Arbeitsrecht eine Ausbildung nicht ermöglichen. 67 Prozent der Betriebe sagen, es ist die Ausbildung zu teuer geworden, und 48 Prozent sagen, die Berufsschulzeit wäre zu lang. Das sagen sie aber nur deswegen, weil in diesen Zeiten die Lehrlingsentschädigung gezahlt werden muß. Diesem Argument ist die Grundlage zu entziehen.
Moralisch gibt es aber auch noch 20 Prozent, die sagen: Wenn ich als Ausbildungsberechtigter ständig schlechtgemacht werde in der Öffentlichkeit, vergeht mir die Lust zur Ausbildung. Es sind nur 8 Prozent oder 6 Prozent der Betriebe, die strukturelle Gründe, wie zum Beispiel die Spezialisierung des Betriebes oder innerbetriebliche Umstrukturierungen dafür angeben, daß sie keine Lehrlinge mehr ausbilden. Der Großteil – zwei Drittel – der Gründe, warum Lehrlinge nicht ausgebildet werden, liegt also in unserem Gestaltungsbereich. Wir sollten ihn nutzen! (Beifall beim Liberalen Forum.)
20.05