Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 142

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Problem. Wenn die Unternehmen tatsächlich sparen wollen und glauben, bei der Lehrlingsausbildung sparen zu müssen, dann befinden sie sich auf dem Holzweg.

Die Lehrlingsausbildung in Form der dualen Ausbildung ist derzeit das einzig bekannte System in Österreich, mit dem wir bestimmte Erfolge erzielt haben. Ich meine, es wäre an der Zeit, sich schön langsam anzuschauen – das ist sicherlich nicht eine Aufgabe, die wir dem Wirtschaftsminister anvertrauen können, weil er ressortmäßig nicht dafür zuständig ist –, welche anderen europäischen Staaten mit anderen Berufsausbildungssystemen Erfolge erzielt haben. Ich verweise beispielsweise nur auf – Herr Minister, Sie sind jetzt da zu diesem Bericht – das französische System, das sehr gut funktioniert, das eine wesentlich größere Differenzierung in der Berufsausbildung bietet, das wesentlich besser auf den europäischen Markt und dessen Anforderungen abgestimmt ist, als es derzeit das österreichische und das bundesrepublikanische System sind.

Zumindest findet in der Bundesrepublik eine ernsthafte Diskussion darüber statt. Sie sagen, wir müßten doch eigentlich etwas über unseren Tellerrand hinausblicken und uns einmal anschauen, wie das in anderen europäischen Ländern funktioniert. Es gibt Systeme wie das britische, das sehr schlecht funktioniert, keine Frage, weil dort nie etwas investiert wurde, weil dort die Betriebe nie Ausbildung betrieben haben, weil das nie etwas war, was die dortigen Betriebe interessiert hat. Aber es gibt andere Länder, die mit anderen Systemen Erfolg haben. Ich meine damit nicht, daß man jetzt unbedingt das französische System kopieren soll. Ich stehe nicht hier, um Sie aufzufordern, das französische System zu übernehmen, sondern ich meine: Schauen wir uns das an! Schauen wir uns doch an, was in anderen europäischen Ländern gemacht wird, dann würde meiner Ansicht nach die Qualität dieses Berichts – Entschuldigung, Herr Minister – anders aussehen.

Dieser Bericht, dieser Berufsbildungsbericht ist aus Zahlen und einigen dürftigen, spindeldürren Sätzen zusammengefügt. Das ist sozusagen der lean Berufsausbildungsbericht, den Sie produziert haben. Das ist mir zuwenig. Ich meine, es muß ein Mehr an Qualität auch in der Berichterstattung geben, wenn wir uns ernsthaft mit den Folgen und den Konsequenzen dieser Krise der dualen Ausbildung auseinandersetzen wollen.

Und ich meine, um darauf zurückzukommen, es geht nicht nur um Kostensenkung. Man wird auch über Kostensenkung reden müssen und reden dürfen. Es geht zum Beispiel darum: Wer bildet in Österreich aus? Und nach wie vor vermisse ich eine Debatte darüber, daß wir ordentliche Flächenberufe bekommen, daß wir moderne Berufsbilder bekommen. Ich vermisse die Debatte darüber, daß nach wie vor staatliche Institutionen – der Staat als Arbeitgeber –, aber auch staatsnahe Institutionen, wie beispielsweise der ORF, keine Ausbildung machen. Das ist kein Thema.

Wenn man über einen Berufsausbildungsfonds ernsthaft diskutiert, dann kann das eigentlich nur heißen, daß alle in den berufsausbildenden Fonds einzahlen. Eine Entschuldigung ist schnell gefunden für einen Arbeitgeber, egal, ob er ein Privater oder ein Staatlicher ist, eine Entschuldigung ist schnell gefunden, warum er nicht ausbilden kann, warum er deshalb nicht einzahlen kann und warum das verfehlt und ungerecht wäre.

Wenn wir weiterhin die Idee eines Berufsausbildungsfonds verfolgen, ernsthaft verfolgen, dann hat das nur dann einen Sinn, wenn an alle Betriebe und öffentlichen Institutionen die Aufforderung ergeht, Lehrlingsausbildung zu betreiben.

Ich sehe nicht ein, warum der Bürokaufmann als Lehrausbildung in einem Ministerium nicht möglich sein soll. Ich sehe nicht ein, warum die Ausbildung zum Medienkaufmann nicht möglich sein soll im ORF. Ich sehe nicht ein, warum es nicht einen Sozialversicherungskaufmann oder ein ähnliches Berufsbild in Sozialversicherungsinstitutionen geben soll. Und da gäbe es noch einige Beispiele mehr, die man finden könnte, mit denen man erklären könnte, warum auch staatliche Institutionen gefordert sind, ihr Gehirnschmalz oder ihr Geld zu verwenden, um Lehrausbildung zu betreiben.


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