Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 160

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erlernen einen Lehrberuf. Und ich glaube, bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen sollte man sehr wohl einmal nachdenken, wodurch das entstanden ist und wie wir die Probleme lösen können.

Aber eine Frage kann ich Ihnen nicht ersparen: Ist Ihnen aufgefallen, daß niemand diesen so beliebten, populären Slogan "Karriere mit Lehre" erwähnt hat? (Abg. Meisinger: Das ist doch gesagt worden!) Ich glaube, das ist ein Zeichen dafür, daß auch Sie nicht mehr so sehr an die Karriere mit Lehre glauben.

Und ich sage Ihnen als Beispiel, wie es mir schon mehrmals auf dem Land ergangen ist, in einer Region, die wirtschaftlich sicherlich benachteiligt ist. Dort sagen mir junge Leute: Ihr Politiker sagt immer, mach eine Lehre, wir brauchen qualifizierte Arbeitskräfte, bilde dich weiter! Und jetzt sagen wir euch, welche Situation wir vorfinden: Wir müssen schauen, daß wir überhaupt einen Lehrplatz kriegen. Ob das der Lehrberuf ist, der uns tatsächlich Spaß macht oder der, den wir erlernen wollen, ist nicht sicher.

Zum zweiten: Ihr sagt, ich soll mich weiterbilden. Tatsache ist aber, daß der Chef bestenfalls einen Meister, aber höchstens zwei, drei Gesellen und ein paar Lehrlinge anstellt. Ich kann mich weiterbilden, so viel ich will – ich habe keine Chance, Karriere zu machen.

Ein anderes Beispiel: Ein sehr erfolgreicher Unternehmer hat mich auf das Problem aufmerksam gemacht, daß ihn die HTL sehr gerne für Weiterbildungskurse hätte. Das Problem liegt darin, welche Bezahlung er für diesen Kurs bekommt, denn seine Meisterprüfung, seine Qualifikation wird dort sehr niedrig angesetzt. Und wir wissen, wenn ein Meister die Beamtenlaufbahn einschlägt, landet er zuerst einmal in d und kommt bestenfalls in c. – Ich glaube, meine Damen und Herren, das sind sehr wohl Dinge, die wir hinterfragen müssen, und wir sollten schauen, wie wir die Situation verbessern können.

Ich entnehme auch dem Bericht einiges, Herr Bundesminister, was für mich sehr signifikant ist: Ein Drittel der Lehrlinge wechselt nach kurzer Zeit die Berufsgruppe. Mehr als die Hälfte verläßt nach kurzer Zeit den Lehrbetrieb. – Meine Damen und Herren, das hat doch Gründe, und ich denke, daß all das, was uns teilweise so an Stimmungsbildern präsentiert wird, eben nicht der richtige Weg ist.

Herr Kollege Puttinger hat heute durchaus Richtiges gesagt, aber seine emotionale Kampfrede war wohl eher für eine Versammlung in der Wirtschaftskammer gedacht. Fast jeder sagt hier am Rednerpult: Wir dürfen uns nicht darauf ausreden, die Lehrlinge seien zu teuer, aber in Wirklichkeit sagen alle, Lehrlinge ausbilden sei zu teuer!

Tatsache ist, daß bei einer Befragung – ich habe das mitgenommen – 58 Prozent, also knapp mehr als die Hälfte der Unternehmer, sagen: Ich stelle keine Lehrlinge mehr ein, weil die Ausbildung zu teuer ist. (Abg. Dr. Ofner: Das ist aber ein bißchen viel! Überleg einmal: 58 Prozent!) Wir wissen aber aus Erfahrung, daß in sehr vielen Lehrberufen ein Lehrling im zweiten Lehrjahr eine vollwertige Kraft ist.

Es wurde die Berufsschule angesprochen. Mein Vorredner hat gesagt, es gehören endlich einmal die Lehrpläne entrümpelt. – Ich nehme an, Sie beschäftigen sich nicht sehr intensiv mit dieser Frage. Ich bin Berufsschullehrer. Wir sind auf diesem Stand ... (Abg. Dr. Ofner: Ich war Lehrling!) Ja, Herr Kollege Ofner, ich habe es gehört, aber in den vierziger Jahren. Da ist in der Zwischenzeit einiges passiert. (Abg. Dr. Ofner: Bis in die fünfziger Jahre! Aber die Mollardschule ist schon gestanden!) Wir arbeiten sehr viel im Bereich der Schule. – Aber zurück zum Thema.

Meine Damen und Herren! Es heißt auch immer wieder, daß die Berufsschulzeit, die Ausbildungszeit in der Berufsschule zu lang sei, aber nur ein Drittel der Unternehmer bekritteln das tatsächlich. Ich meine, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt für mich, wir müssen die Lehrlingsfrage in einer seriöseren Art und Weise angehen. Wenn Herr Piskati von der Wirtschaftskammer im "Kurier" sagt – ich zitiere –: "Wir müssen den Unternehmern Lust und Laune machen, damit sie Lehrlinge ausbilden", dann frage ich mich, ob Lehrlingsausbildung für Sie


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