Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 84

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Mit der Frage der Glaubwürdigkeit der Regierung beziehungsweise der SPÖ ist auch die Frage verbunden: Kurswechsel oder Stagnation der Politik? Wir haben doch alle das Gefühl, daß in diesem Land große Gefahren gegeben sind, daß das Protestverhalten, daß die Abstinenz bei Wahlen im Zunehmen begriffen ist. Darin liegen die Gründe, daß eben ganz wichtige Entscheidungen einfach nicht getroffen, vertagt, verschoben oder ignoriert werden.

Wenn es einen Kurswechsel geben soll in diesem Land, wenn man endlich ausbrechen will aus dieser Stagnation, dann muß etwas geschehen – und ich habe den Eindruck, daß das auch etliche in den Regierungsparteien wollen, daß sie sehen, daß es nicht so weitergehen kann, daß die Bevölkerung in totale Resignation fällt und die Politik ohnehin nur entweder für korrupt, unnötig oder ohnmächtig einschätzt.

Wenn Sie der Meinung sind, es muß ein Kurswechsel zumindest einmal eingeleitet werden, dann ist das eines der wichtigsten Gebiete der Politik, ein Gebiet, in dem Sie beweisen können, ob Sie zu einem solchen Kurswechsel bereit sind – oder ob Sie der Stagnation das Feld räumen.

Ich komme zu einem allerletzten Punkt, Frau Bundesministerin, nämlich zu Ihrer ganz persönlichen Glaubwürdigkeit, zu Ihrer ganz persönlichen Rolle in der Regierung.

Frau Bundesministerin! Sie haben ein sehr schwieriges Ressort übernommen, ein Ressort, das sich – vielleicht neben dem Umweltressort – in der Rolle befindet, gegen teils wirklich fast übermächtige Kräfte eines entfesselten Marktes antreten zu müssen. Es ist kein Zufall, daß im Bereich des Umwelt- und des Gesundheitsressorts die Fluktuation jener Personen, die dort handeln, so groß ist – größer als in allen anderen Ressorts, weil, wie gesagt, die Aufgabe wirklich eine schwierige, eine fast unlösbare ist.

Ich weiß, daß Sie, Frau Minister, unter Druck stehen: in der eigenen Fraktion – von Teilen dieser Fraktion, nicht von allen –, in der Regierung, und daß Sie unter Druck der Wirtschaftslobbies stehen. Nur, Frau Bundesministerin: Sie können auch Verbündete haben, und zwar viel, viel mehr als diejenigen, die dagegen sind. Die ganze österreichische Bevölkerung, die ganze Umweltbewegung könnten Ihre Verbündeten sein, und das sind zuverlässige Verbündete, die nicht vergessen, wer einmal eine mutige Entscheidung getroffen hat, und sie sagen das auch in der Öffentlichkeit.

Frau Bundesministerin! Ich habe bei jeder Gelegenheit hervorgehoben, daß Sie – nach einer anfänglichen Stagnation – in Ihrer Amtsführung durchaus mutige Entscheidungen getroffen haben, so etwa bei der Neuregelung des Obersten Sanitätsrates, bei der Entflechtung von Interessenkollisionen oder auch bei der Wahrung zumindest eingeschränkter Möglichkeiten für bestimmte Naturheilmittel, die verboten hätten werden sollen.

Ich habe Ihnen Respekt gezollt, weil ich weiß, daß Sie auch damals einem schweren Druck ausgesetzt waren. Sie haben in Sachen Gentechnik aber bisher sehr unentschlossen agiert, besser: reagiert. Meine Kollegin Monika Langthaler wird dann noch näher darauf eingehen. Aber diese Unentschlossenheit muß jetzt zu Ende sein. Wie gesagt: Ich weiß, Sie stehen unter Druck, aber Sie müssen sich entscheiden, Frau Minister, mit wem Sie jetzt gehen, wessen Argumente Sie ernst nehmen! Ich garantiere Ihnen: Eine mutige Entscheidung würde honoriert werden, und eine solche macht Sie auch unanfechtbar.

Ganz zum Schluß, Frau Bundesministerin, und auch an die Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion gerichtet, zitiere ich jetzt wörtlich, was vor gar nicht allzulanger Zeit, nämlich am 25. April 1996, in diesem Hohen Haus gesagt wurde, und zwar adressiert an mich. Damals sagten Sie zu mir:

"Sie haben sich auch zur Sojabohne in Amerika geäußert. Ich teile diese Bedenken. Ich gehöre auch zu jener Gruppe, von der Sie gesprochen haben. Mir hat das in der Seele weh getan! Ich habe einmal mit Leuten aus den USA gesprochen, die bei mir waren und gefragt haben, warum ich nicht dafür bin, daß Sojabohnen nach Österreich hereinkommen. Ich habe gesagt, daß ich für die Kennzeichnung bin. Darauf sagten sie: In Amerika ist das nicht üblich. Man weiß gar


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