Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 43. Sitzung / Seite 83

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Frau Bundesministerin, das Schadenspotential, die Ausbreitung der Pflanze, die Resistenz bei anderen Pflanzen, bei Unkräutern etwa, ist nicht ausgeschlossen. – Diese Pflanzen, diese Produkte sollen weltweit in Umlauf gebracht werden, das heißt auch in Ländern mit wärmerem Klima, wo die Samen sehr wohl überlebensfähig sind. Die Firma hat mit der nördlichen Hemisphäre, mit den kalten Gegenden argumentiert, nur: Das entspricht nicht ihrem Aktionsradius. – Wieder hat die Firma unwahr informiert, unvollständig informiert.

Die Gründe für die Inanspruchnahme des Artikels 16 sind hundertfach gegeben.

Frau Bundesministerin! Noch einmal: Es ist das eine politische Frage, und Sie können sich dieser Entscheidung nicht entziehen! (Beifall bei den Grünen.)

Es geht aber noch um mehr, Frau Bundesministerin, als um diesen Antrag, um die immensen ökologischen und gesundheitspolitischen Gefahren: Dieser Antrag steht stellvertretend für die Situation der Gesundheitspolitik in Österreich, vielleicht auch überhaupt der Politik in Österreich. Es stellt sich hier die Frage: Welchen Stellenwert hat der Gesundheitsschutz, welchen Stellenwert hat das Vorsichtsprinzip, und welche grenzenlose Macht haben mittlerweile bestimmte Konzerne, die offenbar nicht einmal mehr die Überprüfung – noch nicht das vollständige Verbot, sondern die Überprüfung – zulassen wollen und Druck ausüben auf die Regierenden?

Es stellt sich die Frage – und sie stellt sich bei diesem Antrag, hier und heute, und sie stellt sich Ihnen, Frau Dr. Krammer –: Wird das, wird Ihre Entscheidung zu einem "Zwentendorf" oder zu einem "Tschernobyl" der Gentechnik? Diese Entscheidung geht weit über den Anlaßfall hinaus. Und sie ist aus einem zweiten Grund bedeutsamer als der Anlaßfall. Es stellt sich nämlich die Frage, ob sich die Regierenden in diesem Lande, ob sich auch die sozialdemokratische Fraktion damit abfindet, daß die Politik gegenüber der Übermacht der Konzerne auf dem Rückzug ist – oder ob sie in einem ganz wichtigen Bereich eine Neuregulierung im Sinne des Gesundheitsschutzes wagen. Die Sympathien der gesamten österreichischen Bevölkerung, die Sympathien der österreichischen Umweltbewegung wären Ihnen dann sicher.

Frau Bundesminister! Wollen Sie diesen Rückzug der Politik, der in allen Bereichen im Gange ist? Im Mietrecht, in Fragen der Frauengleichberechtigung, überall stellt man fest: Da gibt es so mächtige Kräfte, und die wollen das halt nicht. Sie haben da ein ganz konkretes Instrument, und es stellt sich die Frage: Ergreifen Sie es – oder ergreifen Sie es nicht? Machen Sie Politik oder lassen Sie die Hände in den Schoß sinken und sagen: Die anderen sind zu mächtig, ich traue mich nicht mehr.

Wir brauchen in vielen Bereichen eine Neuregulierung. Sicherlich gibt es auch obsolete Vorschriften. Sicher kann man auch teilweise entbürokratisieren und überflüssige Regelungen abbauen. Aber hier haben wir einen Bereich, in dem dringend eine gesundheitsorientierte, eine ökologische Neuregelung notwendig ist.

Eine dritte Grundsatzfrage stellt sich, nämlich die der Glaubwürdigkeit der Politik, auch der Glaubwürdigkeit der SPÖ. Sie haben gerade in den letzten Tagen sehr viel diskutiert über Wahlergebnisse, über die Frage, warum immer mehr Menschen Wahlentscheidungen fernbleiben, und Sie haben auch diskutiert über die Darstellungsformen der Politik. Das ist ein Bereich, in dem die ganz, ganz überwältigende Mehrzahl der Konsumentinnen und Konsumenten Antworten verlangt. Das ist ein Bereich, zu dem man nicht schweigen kann. Das ist nicht eine Frage einer Verkaufsstrategie, sondern das ist eine Frage inhaltlicher Glaubwürdigkeit. Und inhaltliche Glaubwürdigkeit ist nur dann gegeben, wenn man Argumente auf den Tisch legt, keine Geheimniskrämerei zuläßt, auf jedes Argument der kritischen Seite, die keinen ökonomischen Vorteil daraus hat, eingeht und darüber eine politische Entscheidung fällt. Entziehen kann man sich dem nicht. Das Vertagen in Ausschüssen, ein Schubladisieren nützt nichts!

Wie gesagt: Das gentechnisch veränderte Soja kommt jetzt auf die Märkte, und daher muß jetzt politisch entschieden werden. – Noch einmal: Die Entscheidung lautet ja oder nein, und Sie sind aufgerufen, eine solche Entscheidung zu treffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)


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