Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 50

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Wir erfahren aus den Medien, wenn wir am Abend das Fernsehen aufdrehen, wenn wir die Zeitungen aufschlagen, immer wieder, daß es in vielen Ländern der Welt Häftlingsrevolten mit Geiselnahmen, einer großen Anzahl von Geiseln, mit Mord, Totschlag und brennenden Zellentrakten, mit Häftlingen auf dem Dach und Maschinengewehren im Einsatz gibt. Daß so etwas in Österreich nicht stattfindet, hat seine Ursache darin, daß man bei uns die zumindest theoretische, dem einzelnen die subjektive Hoffnung lassende Möglichkeit hat, irgendwann einmal bedingt entlassen zu werden. Natürlich kann nicht jeder bedingt entlassen werden, und das ist auch gut so, aber theoretisch hat jeder Strafhäftling in Österreich die Chance, sich zu sagen: Wenn ich mich ordentlich aufführe, wenn von mir aus in meiner Haftzeit nichts Besonderes passiert, habe ich theoretisch die Möglichkeit, früher herauszukommen, als es dem Strafende entspräche.

Dieses Instrument der bedingten Entlassung wird in Österreich auch tatsächlich von nahezu allen Vollzugsgerichten angewendet, nur von einem einzigen nicht, von Graz. In Graz, das heißt, in dem zuständigen Bereich, in den die Karlau gehört, wird nicht bedingt entlassen. Nicht weniger, sondern praktisch nicht! Insider wissen, in Innsbruck wird am häufigsten bedingt entlassen, dann staffelt sich das herunter über Suben und Garsten bis Wien, aber in Graz gibt es auf diesem Sektor nichts.

Das führte so weit, daß sich im Rahmen der Festveranstaltung anläßlich der Eröffnung der diesjährigen Tagung der Anstaltsleiter der Justizanstalten in Graz vor einigen Monaten unter den Festrednern eine verbale Auseinandersetzung entwickelt hat, auf der einen Seite der Vollzug, auf der anderen Seite die Richterschaft, weil die These vertreten wird – und das wird sogar schon bei Festveranstaltungen artikuliert –, es brodelt in der Karlau, denn wenn keine theoretische Chance auf bedingte Entlassung besteht, dann passiert einmal etwas. Jeder hat darauf gewartet, daß gerade in der Karlau etwas passiert – und es ist etwas passiert, meine Damen und Herren!

Das muß man offen aussprechen, und ich benütze die Gelegenheit, dies heute hier zu machen. Man soll jetzt nicht so tun, als ob der Justizwachebeamte zuwenig aufgepaßt hätte oder als ob – was stimmen mag – die Ausführungen zum Einkauf nicht den Vorschriften entsprechend getätigt worden seien. In Wahrheit haben alle gefürchtet, daß ausgerechnet dort etwas passieren wird. Das hat – ich wiederhole es – bis zu verbalen Kontroversen in Festansprachen aus Anlaß der heurigen Eröffnung des Treffens der Fachleute, der Anstaltsleiter, in Graz geführt.

Das muß man sagen, und da muß man sich auch entsprechend danach richten, denn es kann nicht sein, daß im wesentlichen ein einzelner Richter, dessen Namen ich nennen könnte, es in der Hand hat, auf diesem Sektor so maßgeblich auf die Dinge einzuwirken, daß dann wirklich einmal eine Geiselnahme passiert, was in Österreich ja sehr selten ist.

Einen Satz noch zur Problematik Gerichtsorganisation in Wien: Ich glaube, daß man zwei Möglichkeiten für die Gerichtsorganisation in großen Städten hat. Die Möglichkeit Nummer eins ist das Münchner System: ein oder zwei riesige Gerichte irgendwo am Stadtrand, in denen alles stattfindet, vom Eingangsgericht bis zum Höchstgericht. Es mag sein, daß diese Konzentration Vorteile hat, dem österreichischen Wesen und dem österreichischen Rechtsleben entspricht sie nicht. Wir haben den Weg gewählt – auch nicht schon immer, erst seit etwa zehn Jahren wird er begangen –, daß wir eine auch geographisch bürgernahe Justiz haben wollen, die dem Bürger auch der Distanz nach entgegenkommt, und wir haben daher den Weg der Vollgerichte beschritten, also Gerichte, in denen alles stattfindet, Straf-, Zivil-, Exekutionsrecht et cetera, in die einzelnen Bezirke zu bringen. Ich halte diesen Weg, der schon sehr weit vorgeschritten ist, für den richtigen, und ich freue mich, daß mit dem Bezirksgericht Meidling ein weiterer Meilenstein – schon sieht man das Licht am Ende des Tunnels – erreicht ist.

Soviel zu der heutigen Vorlage in dem Bereich, in dem ich mich dazu "vernehmen" lassen wollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.06


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