Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 55

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Sie?) –, aber hier geht in erster Linie darum, daß man auch über die fälschlichen Beurteilungen des Gegenstandes, mit dem wir uns heute beschäftigen, aufklärt. Die österreichischen Kinder- und Jugendanwälte, deren Profession es ist, den Schutz der Jugendlichen und der Kinder in ihrer täglichen Arbeit umzusetzen, haben eine eindeutige Meinung zur Abschaffung des § 209 abgegeben. Sie haben sich damit an alle Abgeordneten zum Nationalrat gewandt und eindeutig festgestellt, daß sie für eine einheitliche Festsetzung des Schutzalters für Burschen und Mädchen auf 16 Jahre eintreten. Sie haben genauso eindeutig festgestellt, daß sie eine Umsetzung dieses einheitlichen Schutzalters im Einklang mit der UN-Konvention für die Rechte des Kindes für möglich halten, und diese UN-Konvention für die Rechte des Kindes hat der Nationalrat vor zwei Jahren – es war in der XVIII. GP – einstimmig beschlossen.

Die österreichischen Kinder- und Jugendanwälte haben auch eindeutig festgestellt, daß es im § 209 in erster Linie um das Recht auf Selbstbeteiligung und Selbstbestimmung geht und daß mit dem Begriff "Schutzalter" suggeriert wird, daß der § 209 auf den Schutz Jugendlicher vor sexuellen Übergriffen ausgerichtet ist. Das ist aber nicht der Fall! Der § 209, so wie er heute noch Recht ist, schränkt die Selbstbestimmung von Jugendlichen ein. Ich führe das nicht genauer aus, Frau Dr. Schmidt hat das schon sehr ausführlich getan. Es geht nicht um die subjektive Meinung von 183 Abgeordneten, es geht um die Einstellung, wie man die Autonomie – in diesem Fall geht es eben um männliche Jugendliche – in der Wahl der Liebes- und Lebenspartner durch einen Strafrechtstatbestand wesentlich beeinträchtigt. – Darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Im selben Atemzug müssen wir feststellen, daß in Österreich der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung und Gewalt im österreichischen Strafgesetzbuch normiert ist. Manche tun geradezu so, als würde im Falle der Abschaffung des § 209 morgen der Wildwuchs herrschen. Es gibt aber den Schutz vor Zwang und Gewalt, festgeschrieben in etlichen Normen des Strafgesetzbuches und – der überwiegenden Meinung des Nationalrats entsprechend – auch ausreichend. Wäre es nicht so, würde es zu noch größeren Änderungen im Rahmen des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 gekommen sein.

Es gibt kleine – in unseren Augen positive, weshalb diese auch unsere Zustimmung bekommen werden – Änderungen, den Schutz von Kindern und Jugendlichen betreffend, und zwar alles unter dem – auch wieder fälschlichen – Titel "Kinderpornographie" zusammengefaßt, aber hier geht es um das Recht von Jugendlichen auf Privatleben, hier geht um Nichtdiskriminierung.

Jene Kolleginnen und Kollegen, die keine ideologisch ausgerichtete und zum Teil massiv vorurteilsbehaftete Meinung zu dieser Problematik haben – es ist kaum eine Frage in den letzten Monaten und Jahren so ideologisiert worden wie diese, und zwar von den Betreibern des Weiterbestands der Diskriminierung –, jene, die dies ähnlich sehen wie die Einbringer des Abänderungsantrages – also die SPÖ, die Liberalen und die grüne Fraktion –, möchte ich auch noch einmal darauf aufmerksam machen, daß es hierbei um Partnerwahl, um Liebe und sexuelle Selbstbestimmung geht und nicht – wie fälschlicherweise argumentiert wird – um Schutz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat Herr Dr. Fuhrmann ganz kursorisch auf den Entwicklungsprozeß hingewiesen, der in der österreichischen Öffentlichkeit zum Thema Homosexualität stattgefunden hat. Ich habe es sehr, sehr positiv vermerkt, daß es heute eine ganz andere öffentliche Diskussion zu diesem Thema gibt als in den letzten Jahren – eine weit offenere, weit liberalere, weit weniger vorurteilsbehaftete als vielleicht noch vor vier, fünf Jahren.

Aus dieser Beobachtung nährt sich aber auch mein Verdacht beziehungsweise meine Angst, daß dann, wenn es heute nicht zur Abschaffung dieser diskriminierenden Tatbestände kommt, sozusagen das Imperium zurückschlägt, um es drastisch zu formulieren, und Repression und Druck einzelner Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, aber auch des Boulevards und des Biertisches die Oberhand gewinnen mit ihren Argumenten und durch die Entscheidung des Nationalrates in ihrer Meinung bestärkt werden: Aha, jetzt können wir wieder ein Schäuferl drauflegen, jetzt können wir Schwule und Lesben in diesem Land wieder spüren lassen, was wir von ihrer sexuellen Orientierung halten. – Das ist meine große Angst. (Abg. Dr. Graf: Das ist eine unbegründete Angst!)


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