Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 54

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Den Anschluß an die zivilisierte Welt zu finden, betrifft in diesem Fall eine – man kann es so sehen – rein juristische Frage, nämlich die Gleichbehandlung von Menschen, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, denn dieser Strafrechtstatbestand des § 209 diskriminiert schwule Männer, nicht aber lesbische Frauen gegenüber Heterosexuellen. Für mich ist es immer schon – nicht erst, seit ich Abgeordnete zum Nationalrat bin – ein Zeichen der Mißachtung weiblicher Sexualität gewesen, daß es diese unterschiedlichen Schutzbestimmungen, wie es die einen nennen, oder Diskriminierungsbestimmungen, wie ich es nennen würde, als Bestandteil des österreichischen Strafgesetzbuches gibt, denn was ist weibliche Sexualität schon wert? Jedenfalls nicht so viel, daß man sie als gefährlich ansehen würde.

Da kann ich mich jetzt den Worten von Frau Dr. Schmidt, meiner Vorrednerin, anschließen. Weibliche Sexualität ist bis heute nicht etwas, was als gefährlich dargestellt werden kann, wird oder wurde, weibliche Sexualität ist nicht etwa eine Sache, für die es in diesem Land in den letzten Jahren eine Massenbewegung gegeben hätte, wo gesagt worden wäre, hier werde verführt, hier werden Kinder "verzaht". Niemand hat sich diesem Thema gewidmet. Es ging immer um die Schwulen, um schwule Männer, die andere schwule Männer lieben.

Das Wort "Liebe" ist für mich in diesem Zusammenhang entscheidend, denn nach den noch gültigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches wird in Österreich Liebe zwischen Menschen verfolgt und mit gerichtlicher Strafe geahndet. Wenn das, was ich für das Natürlichste der Welt halte, nämlich daß zwei Menschen einander lieben, tatsächlich passiert, gibt es in dieser Republik die Strafdrohung des Gefängnisses.

Wenn jetzt nicht nur die Betroffenen allein, sondern auch Menschen, die einfach den Anschluß Österreichs an die zivilisierte Welt wollen, meinen, daß damit im Jahr 1996 Schluß sein sollte, so kann man dieser Frage vom juristischen Standpunkt her ganz emotionslos gegenüberstehen und feststellen, wie wenig rechtens sie ist, denn sonst müßten nämlich alle anderen mit einer enormen, mit einer unglaublichen Vehemenz die Gleichbehandlung aller – heterosexueller, lesbischer und schwuler – Menschen fordern. – Dem ist aber nicht so.

Ich wende mich hier nicht an alle, denn in dieser Frage, mit der sich der Nationalrat in einer wirklich seriösen und sachlichen Art und Weise schon so viele Jahre beschäftigt – da möchte ich allen Beteiligten meine Hochachtung aussprechen, sowohl den Damen und Herren, die sich als Experten im Unterausschuß zur Verfügung gestellt haben, als auch den Kolleginnen und Kollegen, die an den Diskussionen teilgenommen haben; es war eine vorbildliche Debatte, auch wenn sie mir, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich das sage, viel zu lang gedauert hat, denn eigentlich hätte das, was am heutigen Tag geschieht, unabhängig vom Ergebnis, schon längst stattfinden können –, geht es jetzt um ein paar Menschen, um ein paar weibliche und männliche Abgeordnete in der Fraktion der ÖVP und der FPÖ, die die Möglichkeit haben, diesem Land zum Anschluß an die zivilisierte Welt zu verhelfen. (Abg. Mag. Kukacka: Das ist eine Frechheit! – Abg. Dr. Graf: In der SPÖ tragen das auch nicht alle mit! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Glauben Sie, daß das eine echte Liebe ist zwischen den 14jährigen und den 16jährigen?)

Herr Kollege Kukacka! Ich möchte wissen, was da eine Frechheit ist. Menschen kommen dafür, daß sie einander lieben, ins Gefängnis. Ich wende mich nicht an Sie, das ist Ihre Sichtweise. Sie sind für mich ein Unbelehrbarer. Ich habe Sie in diesen Jahren kennengelernt. Ich werbe nicht um Ihr Verständnis, Sie haben sich in der Öffentlichkeit so eindeutig geäußert, daß es völlig sinnlos ist. Sie gehören zu einem bestimmten Teil der österreichischen Bevölkerung – dazu gehören auch prominente Bischöfe –, dessen Meinung ich respektiere, die ich aber nicht für richtig halte, weil sie diskriminiert, weil sie eine bestimmte Gruppe, deren sexuelle Orientierung nicht die Ihre zu sein scheint, die auch nicht die meine ist, abwertet und diese Gruppe in letzter Konsequenz ins Gefängnis schickt. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Aber das Alter müssen Sie schon erwähnen!)

Ich wende mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, an jene, die immer wieder eines im Mund führen, nämlich den Schutz der Jugendlichen. Ich bin keine Expertin für Jugendschutz (Abg. Dr. Graf: Das merkt man!), ich bin Abgeordnete zum Nationalrat – auch Herr Dr. Graf ist ganz sicher kein Experte für Jugendschutz (Abg. Dr. Graf: Ich habe drei Kinder, wieviel haben


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