Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 53

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Wenn wir daher von Schutz sprechen, dann muß man auch wissen, daß in dieser Gesellschaft, und nicht nur in dieser Gesellschaft, sondern vor allem im Staat, "vor etwas zu schützen" bedeutet, daß das, wovor man schützt – das hat auch Kollegin Fekter gemeint, als sie davon sprach, daß ein Strafgesetz eine Art Werteordnung sei, und zu einem Teil gebe ich ihr recht –, schlecht ist. Man braucht niemanden vor etwas zu schützen, was nicht schlecht ist. Wenn es in Ordnung ist, dann gibt es kein Schutzbedürfnis. Wir schützen daher zum Beispiel davor, daß jemand unter Alkoholeinfluß jemand anderen niederführt oder was auch immer. Schutzbedürfnis besteht nur dort, wo man von jemandem etwas Schlechtes fernhalten will.

Wenn Sie also für das Alter von Menschen, die sexuelle Kontakte pflegen, bezüglich der Strafbarkeit eine unterschiedliche Regelung treffen – ich spreche bewußt von einer unterschiedlichen Regelung –, dann drücken Sie damit aus, daß dort, wo ein höheres Schutzbedürfnis besteht, die Sache selbst schlecht ist. Nichts anderes sagen Sie damit. Eine Strafbestimmung kann nicht anders empfunden werden.

Damit – und das ist das Schlimme daran – belasten Sie nicht nur jene Menschen, die so leben müssen und wollen, sondern Sie manifestieren auch jene Vorurteile in der Gesellschaft, die lauten: Das ist etwas Abartiges, das ist etwas Abnormes, das wir halt gerade nicht diskriminieren wollen, denn so zivilisiert sind wir ja, aber es ist schlecht. Nichts anderes drücken Sie mit einer solchen gesetzlichen Bestimmung aus! Und das muß man einfach wissen, wenn man dazu seine Stimme abgibt, wenn man den Zettel abgibt, worauf "Ja" oder "Nein" zu den einzelnen Vorlagen steht.

Daher meine Bitte an jene, die sich damit auseinandergesetzt haben – das sind leider nicht alle –: Denken Sie darüber noch einmal nach und überlegen Sie, was Sie damit tun, wenn Sie einem Antrag zustimmen, der diese unterschiedliche Regelung im Strafgesetz aufrechterhält! Überlegen Sie, was es für die betroffenen Menschen bedeutet, mit dem fertigzuwerden, was Sie ihnen psychisch damit auferlegen, mit etwas von der Gesellschaft Unerwünschtem leben zu müssen – denn nichts anderes sagen Sie ihnen damit. Bedenken Sie, in welche Konflikte Sie diese Menschen stürzen, was Sie diesen Menschen antun!

Überlegen Sie aber auch, welches Signal Sie andererseits dieser Gesellschaft geben! Für die Gesellschaft geben Sie das Signal: Das ist unerwünscht! Alle Vorurteile, wie wir sie in der übelsten Ausformung erleben, haben damit eine Berechtigung, eine Legitimität bekommen. Sie können sich darauf berufen und sagen: Von der langen Diskussion, die geführt wurde, war das Ergebnis, daß die Homosexualität jedenfalls etwas ist, wovor man die Menschen schützen muß. – Das ist das Signal, das Sie heute geben, wenn Sie einer unterschiedlichen Regelung zustimmen. Doch dieses Signal dürfen Sie dieser Gesellschaft nicht geben! Das ist es, weswegen ich an Sie appelliere! (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

Wenn Sie im Parlament immer davon reden, daß die Menschen sich treu bleiben sollen, dann geben Sie ihnen doch Gelegenheit, zu sich finden zu dürfen, dann stellen Sie sie nicht an den Rand! Ich bitte Sie daher – viele, die ich meine, haben leider nicht zugehört, obwohl sie im Saal sind –, bei dieser Gelegenheit die Verantwortung des freien Mandats zu empfinden und zu wissen, was Sie für die Betroffenen tun und was Sie für die Gesellschaft tun, denn an Ihnen wird es liegen! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum, bei der SPÖ und bei den Grünen.)

13.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

13.19

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die Plattform für die Abschaffung strafrechtlicher Tatbestände, die homosexuelle Männer in Österreich diskriminieren, hat in einer Aussendung beziehungsweise eigentlich in einem Brief an alle Abgeordnete zum Nationalrat geschrieben: "An der Schwelle zum dritten Jahrtausend muß Österreich, das einst als erstes Land der Welt die Todesstrafe für Homosexualität aufgehoben hat, in dieser Frage endlich wieder den Anschluß an die zivilisierte Welt finden."


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