Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 105

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Ich sage das deshalb hier mit so tiefer Überzeugung, weil ich selbst in dieser Frage den Kurs der Bundesregierung definiert habe, sodaß ich Ihnen versichern kann: Es wird in der Bundesregierung keine Änderung der Linie gegen die Atomenergie geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nach dem Grundsatz der Gewaltentrennung müßte ich die Anfragesteller ersuchen, die Damen und Herren Abgeordneten der Volkspartei im Europäischen Parlament, die gegen den Antrag gestimmt haben, direkt zu fragen, was sie sich bei ihrem Stimmverhalten gedacht haben. Aber ich gebe zu, daß auch ich mir Gedanken darüber gemacht habe, als ich zum ersten Mal davon gehört habe, da sich dieses Abstimmungsverhalten der genannten Kolleginnen und Kollegen doch so deutlich von dem unterschied, was sie nur kurz vorher während ihrer eigenen Kampagne in dem zu Ende gegangenen Wahlkampf erklärt haben.

Aber selbstverständlich wird die Politik in Sachen Atomenergie in der Bundesregierung gemacht. Natürlich hat sich unsere Position – wie schon dargelegt – nicht geändert. Ich nehme aber die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Barmüller und die Anfrage zum Anlaß für einige grundsätzliche Bemerkungen zu diesem Thema, zumal die Interpretationen über Erfolg oder Mißerfolg dieses Projektes weit auseinandergehen. Eine wichtige Bestimmungsgröße ist der Zeitfaktor.

Ich erinnere Sie daran, meine Damen und Herren, daß wir stets einen mittelfristigen Planungshorizont vor Augen hatten und der Anspruch nicht war, heute oder morgen eine Abschaltung oder Verhinderung grenznaher Kernkraftwerke bewirken zu können.

Aber selbst wenn diese "Verhinderung" als Maßstab herangezogen werden sollte, so muß doch mit großer Deutlichkeit gesagt werden, daß auch der westlichen Staatengemeinschaft unter der Führung der USA, auch der Europäischen Kommission beziehungsweise der G7 mit ihrer Strategie, durch massive westliche Finanzhilfe eine vorzeitige Stillegung besonders gefährlicher Anlagen zu erreichen, kein Erfolg beschieden war. Die Kontroverse um den Block 1 des Kernkraftwerkes Kosloduj in Bulgarien im Herbst 1995 möge nur als besonders markantes Beispiel dafür in Erinnerung gerufen werden.

Ein weiterer Maßstab der Erfolgskontrolle ist die Frage, ob das österreichische Engagement den Sicherheitsstatus benachbarter Kernkraftwerke erhöht habe. Die Antwort heißt ja und sei mit dem Beispiel des slowakischen AKW Bohunice untermauert, bei dem sich seit unserer Intervention im Gefolge einer österreichischen Expertenkommission und persönlicher Verhandlungen mit den jeweiligen Ministerpräsidenten seit 1990 die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles um den Faktor 5 bis 10 reduziert hat.

Auch beim slowenischen Kernkraftwerk Krško hat eine internationale Expertengruppe auf Basis einer österreichischen Initiative quasi den Finger auf die Wunden und damit die Grundlage für die fast abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen gelegt.

Es verbliebe also, die österreichische Kernenergiepolitik daran zu messen, ob sie ihrem Anspruch, eine Schrittmacherfunktion einzunehmen, gerecht geworden ist. Diesbezüglich wurde jedoch auch von den schärfsten Kritikern der österreichischen Kernenergiepolitik noch keine Klage laut.

Österreich ist heute – je nach Standpunkt – ein Hoffnungsträger und Orientierungspunkt für kernenergiekritische Menschen im Inland und im Ausland – auch ein unbequemer, aber fachlich meist geachteter Verhandlungspartner.

Darüber hinaus hat Österreich einigen internationalen Diskussionen seinen Stempel aufgedrückt und wesentlich dazu beigetragen, daß internationale Finanzinstitutionen, allen voran die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in Zukunft bei der Behandlung von Projektanträgen für kerntechnische Anlagen besondere Sorgfalt walten lassen würden. Manche Beobachter meinen auch, daß das österreichische Engagement im Fall des Kernkraftwerkes Mochovce langfristig den Einstieg der Weltbank in die Finanzierung von Nuklearprojekten hintangehalten hat.


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