Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 36

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rungsgesetz-Debatte und den damit im Zusammenhang stehenden Materien, die wir unter einem diskutieren, beginnt der erste Teil des Dramas Reform der österreichischen Krankenanstalten unter sozialen Gesichtspunkten.

Ich hätte nicht gedacht, und ich glaube, auch Millionen österreichische Arbeitnehmer hätten nicht gedacht, daß wir nach dem Beitritt zur Europäischen Union so schnell eines Besseren belehrt werden, daß in Österreich die versprochenen Anhebungen der Sozialstandards und die Reformierung des sozialen Europas – unter tatkräftiger Mithilfe der Sozialdemokraten und unter Mithilfe des Arbeitnehmerflügels und des Gewerkschaftsflügels der Sozialdemokraten in Österreich – nicht stattfinden, und es nicht nur zu keiner sozialrechtlichen Verbesserung im Bereiche der Gesundheit kommen wird, sondern – im Gegenteil! – nun eine rein von pekuniären Interessen geprägte Änderung im Gesundheitswesen Österreichs Platz greifen wird, und zwar mit Unterstützung der beiden Regierungsparteien: gegen den Willen der Betroffenen und unter Hintanstellung sämtlicher sozialrechtlicher Mindeststandards, wie sie in der EU festgeschrieben sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister Hums! Ich glaube, daß mit dem heutigen Tag und mit der Vertagung der Besserstellung der Gesundheitsberufe im Hinblick auf die Mindeststandards, die die EU für die Beschäftigung festschreibt – 48 Wochenstunden –, in Österreich eine sozialdemokratische Abendröte aufzieht. Es kann nun niemand mehr in Österreich behaupten, daß Österreich der EU beigetreten ist, um die EU zu einer Sozialgemeinschaft mit hohen Sozialstandards umzubauen. Im Gegenteil: Österreich ist nicht nur säumig, was die Umsetzung der EU-Mindeststandards angeht, sondern Österreich ist auch dabei, die EU-Mindeststandards zu ignorieren, ja diese, wenn man den Artikeln in der Tagespresse von gestern und heute Glauben schenken darf, sogar deutlich zu unterschreiten.

Das, was hier als Paket für das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz vorliegt, beschäftigt sich hauptsächlich mit den finanziellen Gegebenheiten im Gesundheitsbereich. Es wird für den Bund in den nächsten drei Jahren etwa 12 Milliarden Schilling an Mehrkosten verursachen. Das wird höchstens dazu führen – es gibt keine Gutachten, die das widerlegen –, die exorbitanten Zuwächse bei den Gesundheitskosten in den letzten Jahren einzubremsen, wird aber mit Sicherheit keine effizienten Einsparungen bringen.

Dieses System und diese Gesetze, die wir heute verabschieden, werden dazu führen, daß all das, was im Vorfeld dieser Reform versprochen worden ist, als das demaskiert wird, wofür wir Freiheitlichen und viele Österreicherinnen und Österreicher es schon länger gehalten haben: als Makulatur.

Die Versprechungen sind über Bord geworfen worden. Die Zusagen des Jahres 1994 etwa über die gerechte Aufteilung der neuen Mehrwertsteuerregelungen innerhalb der Sozial- und Gesundheitsberufe sind keinesfalls, so wissen wir heute, auf "Punkt und Beistrich", wie Lacina es versprochen hat, eingehalten worden.

Die Nachfolger fühlen sich nicht an die Zusagen ihrer Vorgänger gebunden. Der Glaube in die Politik wird in diesem Lande systematisch unterminiert, und es braucht sich niemand mehr darüber zu wundern, daß Millionen Österreicherinnen und Österreicher kein Vertrauen mehr in die Politik haben. Noch deutlicher als heute bei diesen Sozialrechts-Änderungsgesetzen und den Gesundheitsgesetzen am Nachmittag wird es nicht möglich sein, zu zeigen, wie wenig Wert Zusagen von Politikern im Vorfeld von Volksabstimmungen haben. Das, was gestern versprochen wurde, ist dem Nachfolger nicht einmal mehr eine faire Verhandlung wert.

Es hat niemanden gegeben – ich zitiere hier aus der Zeitung der österreichischen Privatversicherungen "Der Privatpatient" –, der nicht gemeint hätte, daß der Erfolg der Reformschritte im Gesundheitsbereich vor allem von zwei Dingen abhängig sein wird, nämlich erstens von der Kooperation der Ärzteschaft und der sonstigen Gesundheits- und Heilberufe und zweitens davon, ob es endlich gelingt, den "Filter", den der niedergelassene Arzt im Gesundheitssystem national und international allen Studien zufolge einzunehmen hat, auch so auszubauen, daß dieses Gesundheitssystem effizient wirken kann.


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