Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 78

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haben, daß Sie sie wirklich vertreten, sondern sie werden das Gefühl haben, daß irgendwo über den Wolken weltfremde Entscheidungen fallen, sie aber davon betroffen sind. Sie werden meinen: Ob wir es uns anders organisiert hätten oder nicht, interessiert die da oben nicht. – Und das ist sehr schlecht.

Hätten Sie das nicht geregelt, sondern nur den Vorbehalt gemacht für den Fall, daß Ihre düsteren Szenarien Wirklichkeit werden, daß das zur Ausbeutung und zu Skandalen führt, hätten Sie immer noch nachträglich mit einem Gesetz eingreifen können. So aber greifen Sie vorsichtshalber schon vorher ein, ersticken Kreativität, Kundennähe und Lebensnähe – und das ist schade. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.06

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Die Änderung des Arbeitsruhegesetzes ist für die Betroffenen von großer Bedeutung; dabei handelt es sich vorwiegend um Frauen, die davon betroffen sind. Durch die Ausweitung der Samstag-Arbeit, der Ladenöffnungszeiten, die bevorsteht, sind allein im Handel 237 000 Frauen betroffen – Stand 1995 –, also 70 Prozent der Handelsangestellten, Arbeiter und Angestellte. Zu den Beschäftigten im Handel kommen aber noch jene Frauen dazu, die im Hotel- und Gastgewerbe, im Gesundheits- und Fürsorgewesen, im Unterrichts- und Dienstleistungsbereich der Körperpflege und Reinigung tätig sind. Sie alle arbeiten am Samstag, und zwar am Vormittag und am Nachmittag: das heißt bis 13 Uhr oder ab 13 Uhr.

Wir haben also nahezu die Situation erreicht – wenn wir Medienberichte und das, was hier immer wieder gesagt wird, verfolgen, können wir das feststellen –, daß alles beherrscht wird von Standortüberlegungen, vom Rennen um Wettbewerbsvorteile und von Forderungen, die nach wilder Deregulierung klingen.

Man bekommt den Eindruck, daß Österreich erst durch die ungebremste Marktorientierung dahin gebracht werden sollte, daß sich ein Leben in diesem Land überhaupt lohnt. Dem muß ich jedoch widersprechen, denn es ist doch vielmehr so, daß wir in sehr vielen gesellschaftlichen Bereichen die schon errungene Lebensqualität zu sichern und zu schützen haben. Im konkreten Fall haben wir dafür zu sorgen, daß die Lebensqualität der im Handel beschäftigten Arbeitnehmerinnen , für die das ja eine Einschränkung der Freizeit, aber auch eine Einschränkung der Familienzeit bedeutet, nicht unter den wirtschaftlichen Vorteilen, die eine Ausdehnung der Öffnungszeit mit sich bringt, leidet. (Beifall bei der SPÖ.)

Außer Streit steht, daß die Regelung von Zeiten eine höchst sensible Angelegenheit ist und einen empfindlichen Einfluß auf die Lebensqualität hat.

Vorgesehen ist daher, daß für jene, die Samstag nachmittags arbeiten, also ab 13 Uhr, ein ganzer arbeitsfreier Samstag zu folgen hat. Das ist eine kleine, aber sehr wichtige Weichenstellung, da diese Änderungen überwiegend zu Lasten von Frauen gehen. Ich habe es schon gesagt: 70 Prozent der Handelsangestellten sind Frauen, Frauen mit Familien, Frauen mit Kindern, aber auch alleinerziehende Frauen, die die Arbeit am Samstag-Nachmittag vor gehörige Probleme stellt. Denn – diese Frage muß erlaubt sein –: Wohin mit den Kindern bei fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen und den sich ändernden gesellschaftlichen Strukturen?

Man kann einwenden: Das Kind hat einen Vater!, aber alleinstehende, alleinerziehende Mütter haben meistens keinen Partner zur Hand. Außerdem: Was macht man, wenn auch der Vater im Handel tätig ist und am Samstag arbeitet?

Selbstverständlich ist mir bewußt, daß sich die Gesellschaft, daß sich das Freizeit- und Konsumverhalten geändert haben und wir daher zu einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung kommen soll


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