Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 123

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Und die Beteuerungen von SPÖ und ÖVP, sich weiterhin für die Familien einzusetzen, kommen wirklich einer gefährlichen Drohung gleich, wenn man sieht, was Sie bei diesem Belastungspaket alles angestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Familienpolitik dieser Regierung beschränkt sich rein auf Wahlplakate. Da existieren für Sie plötzlich die Familien und die Kinder. Da lassen Sie sich abbilden mit den eigenen Kindern oder mit fremden Kindern – je nachdem, wie es notwendig ist –, und nach der Wahl ist alles vergessen. Sie brauchen die Familien nur als Mehrheitsbeschaffer bei den Wahlen, und dann liefern Sie sie schonungslos wieder der Begehrlichkeit des Finanzministers aus.

Wer hindert Sie denn daran, endlich ein Steuersystem einzuführen, im Rahmen dessen den Familien wenigstens ein Teil ihrer Leistungen abgegolten wird? Wenn heute die Familien immer weniger Kinder bekommen, dann gilt der Generationenvertrag nicht mehr. Aber Familien haben enorme Kosten durch die Kindererziehung. Ein Existenzminimum für alle Familienangehörigen würde das Problem mit einem Schlag lösen.

Aber es ist ja nicht nur so, daß immer mehr Familien unter die Armutsgrenze geraten, sondern es findet bereits eine schleichende Verarmung der unteren Mittelschicht statt. Schon längst betrifft nämlich diese steigende Armut nicht nur diejenigen, die offensichtlich bereits unter dem Existenzminimum sind, immer mehr betrifft es Facharbeiterfamilien und Beamtenfamilien. Diese Familien können nur mehr überleben, weil sie zum Teil Zuschüsse von ihren Eltern bekommen.

Neben der Belastung durch dieses Euro-Maastricht-Belastungspaket sind im vergangenen Jahr die Mieten um mehr als 4 Prozent gestiegen. Die Leute können sich ja das Wohnen bereits nicht mehr leisten. Die privaten Haushalte können die Abgaben für die Abwasserentsorgung, für die Müllgebühren, für die Stromkosten nicht mehr bezahlen. Und das trifft wieder die Familien besonders hart, denn größere Familien brauchen einen größeren Wohnraum, haben höhere Kosten. Darauf nimmt diese Politik, diese Regierung aber in keinem Ansatz Rücksicht. (Abg. Eder: Das ist falsch, was Sie sagen!) Nein, in keinem Ansatz, nirgends! (Abg. Dr. Mertel: Diese Frau hat keine Ahnung!)

Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. – Herr Bundeskanzler! Ich habe vor kurzem ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Lenzing AG geführt. Er hat bei uns um Verständnis dafür geworben, daß bei der Lenzing AG 500 Arbeitsplätze abgeschafft werden, es wird ausgelagert. Er sagte, er könne das Werk als Vorstandsvorsitzender einer AG nur dann erfolgreich führen, wenn er rationalisiert. Und rationalisieren heißt Leute entlassen. Er könne gar nicht anders. Er leide persönlich darunter, weil er sich wie ein Unmensch vorkomme. Er wisse ganz genau, daß da mehr als 500 Schicksale dranhängen. Er müsse es aber tun, denn die Lohnkosten in den sogenannten Billiglohnländern sind um so vieles niedriger, sodaß er die Produktion in Österreich einfach nicht mehr aufrechterhalten kann. Er sagte, jetzt werde die Produktion bereits von Indonesien nach Bangladesh, nach China verlagert – immer dorthin, wo es am billigsten ist. Und mit einer unheimlichen Rasanz werden Fabriken abgebaut und in der nächsten Billigzone wieder aufgebaut.

Der Vorstandsdirektor der Firma Lenzing hat auf meine Frage, wie er sich vorstellen könnte, daß man dieses Problem zumindest aus europäischer Sicht lösen könnte, nur eine Antwort gehabt: Die einzige Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, bevor wir in Massenarbeitslosigkeit geraten, sei die Einführung von Schutzzöllen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Es liegen drei Entschließungsanträge vor.

Als erstes stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Öllinger und Genossen betreffend einen jährlichen Armuts- und Reichtumsbericht.


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