Darüber hinaus – und das soll man auch sehen – waren 1988 im Einzelhandel noch 253 000 Personen beschäftigt, 1995 nur noch 252 339.
Die Handelsbetriebe beziehungsweise die Wirtschaftskammer mauere sich ein, sei versteinert, wird behauptet. Ich sage: Das stimmt nicht, sondern sie stehen unter ganz besonderem Wettbewerbsdruck. Dieser Wettbewerbsdruck ist so stark, daß es in 10 Prozent aller Gemeinden Österreichs – in Österreich gibt es 2 353 Gemeinden – kein Lebensmittelgeschäft mehr gibt. In 44 Prozent der Gemeinden gibt es keinen Bäcker mehr, in 47 Prozent der Gemeinden keinen Fleischer. In den letzten fünf Jahren verringerte sich die Zahl der Schuhhändler um 14,4 Prozent, jene der Lebensmittelhändler um 15,6 Prozent, jene der Textilhändler um 16 Prozent, jene der Papierhändler um 28,9 Prozent und jene der Parfümeriehändler um 33,7 Prozent.
Manche werden sagen: Das ist ein Strukturwandel in der Wirtschaft! (Abg. Mag. Peter: Sie haben sie zu Tode geschützt!) Herr Mag. Peter! Versuchen Sie einmal, meiner Argumentation zu folgen, vielleicht kann ich Ihrer Tourismusargumentation etwas entgegenhalten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was haben Sie dagegen getan, Frau Kollegin?)
Dem Argument Strukturwandel stimme ich selbstverständlich auch zum Teil zu, aber eben nur zum Teil (Abg. Dr. Partik-Pablé: Nur jammern nützt nichts!), denn diesen Zahlen ist einiges entgegenzuhalten, Frau Dr. Partik-Pablé, und zwar zunächst einmal die exorbitante Verkaufsflächenausweitung im Einzelhandel. (Abg. Haigermoser: Was soll denn diese Sonntagsrede?! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)
Meine Damen und Herren! Im Jahr 1976 gab es eine Verkaufsfläche von rund 5 Millionen Quadratmetern, heute sind es rund 12 Millionen Quadratmeter. Das ist eine Steigerung von 140 Prozent. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Was haben Sie denn getan, Frau Tichy-Schreder?)
Dazu gibt es aber noch weitere interessante Detailzahlen: Kleinbetriebe mit bis zu 10 Beschäftigten weiteten die Verkaufsfläche in diesen 20 Jahren um 35 Prozent aus, mittlere Betriebe mit 10 bis 100 Beschäftigten um 200 Prozent (Abg. Haigermoser: Diese Statistik kennen wir! Das ist ja nicht das Statistische Zentralamt, das ist das Parlament!) und Großbetriebe mit über 100 Beschäftigten um 265 Prozent. – Wird Ihnen durch diese Zahlen einiges klar?
Die Spitzenreiter unter den Bundesländern hinsichtlich der Flächensteigerung sind Niederösterreich mit 201 Prozent, Tirol mit 165 Prozent und Oberösterreich mit 163 Prozent. Wien ist mit einer Steigerung von 100 Prozent das Schlußlicht, und dennoch finden sich in den Geschäftsstraßen Wiens unzählige leere Geschäfte.
Der Zuwachs der Verkaufsflächen war sehr ungleich verteilt. Großflächen rentieren sich erst ab einer bestimmten Ortsgröße. In kleineren Gemeinden wurde die örtliche Handelsinfrastruktur durch die Konkurrenz in der Nachbarschaft und im Zuge stark gestiegener Konsumentenmobilität in Mitleidenschaft gezogen. Der Verkehrsklub Österreich hat – auf Basis der Verkehrsdaten des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung für Handelsbetriebe im Raum Linz und auf Basis der Kostendaten der EU-Generaldirektion Verkehr – die externen Kosten des Einkaufsverkehrs in österreichischen Schillingen pro Einkauf ermittelt. Dabei wurden das Bus- und Bahndefizit, Lärm-, Abgas-, externe Unfallkosten und Staukosten herangezogen. Es stellte sich heraus, daß bei einem Einkauf in einem Einkaufszentrum am Stadtrand die Kosten pro Einkauf bei 10 S liegen, in einem Einkaufszentrum im Stadtgebiet bei 4 S und in einem Lebensmittelnahversorgungsbetrieb bei 1 S.
Meine Damen und Herren! Was bedeutet das? – Erstens: Eine Ausweitung der Verkaufsflächen bedeutet im Handel generell einen stärkeren Verdrängungswettbewerb.
Zweitens: Es kommt im Prinzip zu keiner Ausweitung des Angebotes für den Konsumenten, im Gegenteil, das Angebot wird für den Konsumenten geringer.
Drittens: Verkaufsflächen am Stadtrand schädigen die Umwelt und den Steuerzahler.
Viertens: Orts- und Stadtkerne veröden und verslumen. (Zwischenruf des Abg. Haigermoser. )