Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 149

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mögens geschätzt, zum Beispiel konkret des Vermögens von Grundbesitz? Das ist ja etwas, was man sehr leicht nachvollziehen kann, denn Grundbücher gibt es Jahrhunderte zurück.

Wir haben die Frage gestellt: Wie hoch wird der Wert des Vermögens geschätzt, den es an Aktien, Wertpapieren oder vielleicht an etwas so Konkretem wie Marken- und Musterrechten und Patenten gab? Wie hoch wird der Wert des gestohlenen und arisierten Vermögens von Sparguthaben geschätzt? – Lauter Fragen, die – so würde man meinen – doch zumindest eine Antwort möglich machen, weil sie sich auf Schätzungen beziehen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, was hat der Herr Bundeskanzler geantwortet? Und das ist der Anlaß für die Besprechung. Er faßt elf Fragen mit einer Antwort von drei Zeilen zusammen, die ich Ihnen vorlesen muß, damit Sie verstehen, warum dieses Thema ein so heikles ist. Bundeskanzler Dr. Vranitzky schreibt:

"Es gibt keine konkreten Unterlagen, keine verläßlichen Daten, daher keine Schätzungen. Aus diesem Grund wurden keine Stellen mit Nachforschungen beauftragt."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unverständlich und ignorant kann ich das nur nennen, daß man 51 Jahre nach Ende des NS-Regimes in der österreichischen Bundesregierung keine Ahnung vom Ausmaß der Schäden, der materiellen, wirtschaftlichen Schäden, die den Opfern des NS-Regimes widerfahren sind, hat. Man hat keine Ahnung! Es gibt keine Unterlagen, es gibt keine Daten, deshalb kann es auch keine Schätzungen geben, und deshalb kann man ja auch niemanden beauftragen, sich damit zu beschäftigen. – Das ist die Antwort des Herrn Bundeskanzlers. Mit dem Argument, keine Unterlagen zu haben, wird einfach gesagt: Jetzt sind 51 Jahre vergangen, und nach 51 Jahren ist das halt sehr schwierig.

Herr Staatssekretär! Ich meine doch wohl, daß die Opfer, die Nachkommen, die Rechtsnachfolger der Opfer das Recht darauf haben, daß die Republik jetzt endlich nach 51 Jahren eine wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas beginnt – solange es noch lebende "Quellen" gibt. Lange gibt es die nicht mehr. Lange gibt es nicht mehr Menschen, bei denen man konkret forschen kann. Das ist einfach eine biologische Frage.

Aber der Herr Bundeskanzler meint in einer Anfragebeantwortung, daß jetzt alles erledigt sei. Er bezieht sich zum Beispiel in bezug auf eine konkrete Fragestellung darauf, daß es Briefe aus dem Jahr 1961 gibt – das ist fast 40 Jahre her –, in denen eine einzelne Organisation – aus damaliger Sicht auch mit Legitimation – der Bundesregierung eine Mitteilung gemacht hat. Aber wir können es heute nicht akzeptieren, daß man sich 1996, also fast 40 Jahre später, darauf beruft, 40 Jahre nichts gemacht zu haben, weil es damals eine Erklärung gab. Es kann doch nicht so sein, daß damit irgendeine Art von Gerechtigkeit geschaffen wird, daß man Forderungsberechtigte einfach damit abspeist, nur weil 51 Jahre seit Ende des NS-Regimes vergangen sind.

Es sind ja oft nicht nur jene ermordet und vergast worden, die Vermögensinhaber waren, sondern auch sämtliche Rechtsnachfolger. Und das ist es, was dem Herrn Bundeskanzler in dieser für mich so beschämenden Anfragebeantwortung vorzuwerfen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich gibt es nur ein Resümee daraus: sich nicht auf Traurigkeit zu beschränken und das zur Kenntnis zu nehmen, sondern zu sagen: Jetzt müssen konkrete Schritte gesetzt werden, jetzt ist es an der Zeit, eine Institution zu schaffen – neben der hervorragenden Arbeit des Nationalfonds, die hier im Parlament passiert und die wir alle sehr schätzen –, mit der man den Opfern unbürokratisch, ohne daß ihnen Kosten verursacht werden, die Möglichkeit gibt, sich rechtlich, aber auch sozial beraten zu lassen und heute – nach so vielen Jahren – Erkundigungen einzuholen.

Auf diese einfache Formel möchte ich es bringen und Sie, Herr Staatssekretär, bitten, sich heute in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers vielleicht etwas weniger salopp damit zu beschäftigen. (Beifall bei den Grünen.)

17.40


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