Schlüsselpunkt. Die Frage ist: Was kann unser Normungswesen leisten, warum drängen wir die Rolle der AVUA zurück, und warum überlegen wir uns nicht noch viel mehr im Bereich des Haftungsrechtes in Form von abstrakten Haftungen zugunsten von Mitarbeitern? – Wenn ich nämlich ein solches Fundament lege, dann wird manches, was hier auf sehr komplexe und teilweise wirklichkeitsfremde Weise durch taxative Vorschriften erzwungen werden soll, aus der Rationalität einer modernen Betriebsführung heraus und zur Vermeidung von anderen Kosten viel schneller, viel besser und viel gleichmäßiger stattfinden, und es wird außerdem die Leistungsfähigkeit der Unternehmen widerspiegeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Gesunde und erfolgsorientierte Betriebe sind – schon allein aus Eigennutz – hundertprozentig daran interessiert, gesunde und nicht durch Unfall und sonstige Gefährdungen verletzte, beeinträchtigte oder nicht mehr einsatzfähige Mitarbeiter zu haben. (Beifall beim Liberalen Forum.)
Wenn Sie mir nicht den altruistischen Ansatz glauben, so glauben Sie mir bitte wenigstens diesen rein rationalen und seelenlosen Ansatz. (Neuerlicher Beifall beim Liberalen Forum.) Es ist nämlich keineswegs so, daß es zur Freude der Unternehmensführungen dient, wenn im eigenen Betrieb Unfälle passieren – nicht nur aus menschlichen Gründen, selbstverständlich das auch, sondern weil im Regelfall ein sehr wertvoller Mitarbeiter auf lange Zeit ausfällt. Daher müssen Sie alles unternehmen, um diesen ohnedies vorhandenen Effekt durch Lenkungsmaßnahmen zu stützen. Wenn ein Betrieb ordentlich geführt ist, wenn die Betriebsanlagen in Ordnung sind, wenn die Aufklärung im Betrieb funktioniert, wenn auch die interne Aufsicht betreffend Einhaltung von Schutzmaßnahmen funktioniert, dann erspart sich der Betrieb ohnedies relativ viel Geld, nämlich Folgekosten, die er dann auf jeden Fall hätte. Wenn Sie dort Verstärker im Bereich von Haftungen oder im Bereich des Normungswesens setzen, dann erreichen Sie mehr als durch eine noch so lange Liste taxativer Vorschriften, die letztlich niemand mehr überblickt, die im Regelfall sogar umgangen und so gehandhabt werden, daß manchmal das Arbeitsinspektorat bei Besichtigungen den Leuten eher einen Ratschlag erteilen muß, wie man so tut, als ob man etwas, was nicht den Vorschriften entspricht, nicht bemerkt hätte, weil bestimmte Sachen manchmal einfach nicht lebbar sind. Das zum Grundsätzlichen.
Jetzt an den Schluß gestellt meine versprochenen Ausführungen zu der Rede des Kollegen Dietachmayr. Bezüglich dessen, was Sie als Befund in Richtung Mobbing und Unternehmens- und Streitkultur ausgeführt haben, bin ich ganz bei Ihnen. Ich hoffe nicht, daß Sie der Meinung sind, daß man das gesetzlich in den Griff bekommen kann. Ansonsten sind wir annähernd deckungsgleich. Ich frage mich aber: Woran liegt es, daß die Unternehmenskultur teilweise im argen liegt, daß die Streitkultur unterentwickelt ist, daß Mobbing als Instrument der Unterdrückung eingesetzt wird? Ist es ein Betriebsphänomen oder ist es nicht vielleicht ein Phänomen unserer Gesellschaft überhaupt, daß wir schon in der Erziehung nicht auf Emanzipation, sondern eher auf Duckmäusertum setzen, daß wir in der Erziehung, in der Ausbildung nicht auf Teamfähigkeit setzen, sondern auf Reproduktion, daß wir keine Führungsqualitäten entwickeln, die interaktiv sind, sondern daß wir nach wie vor insbesondere in den Schulen autoritäre Modelle vorführen?
Schauen Sie sich erfolgreiche Unternehmen an! Sie sind in ihren Entscheidungen hochgradig nach Sachkriterien dezentralisiert, und sie sind fehlertolerant aufgebaut, nicht zentralisiert an einer Stelle alles zusammenlaufend, was automatisch Hierarchien bedeutet, die sich für Mobbing eignen. In einem gut organisierten Betrieb wird die nächsthöhere Ebene niemals damit Freude haben können, wie die darunterliegende Ebene ihre eigenen nachgeordneten Mitarbeiter terrorisiert – ich will es einmal so ausdrücken. Das ist nämlich weder für die Produktivität noch für das Betriebsklima noch für die Unternehmenskultur und daher schon gar nicht für den Unternehmenserfolg gut.
Und auch hier ist wieder eine Parallelität gegeben: Unternehmensleitungen schätzen das weder aus zwischenmenschlichen Gründen noch aus Gründen der Effizienz.
Wenn es Ihnen gelingt, durch Regelungen dieses Doppelinteresse lebbar zu machen, dann werden Sie erfolgreich sein. Und daher sage ich Ihnen noch einmal: Das vorliegende Gesetz macht dieses Doppelinteresse nicht lebbar, sondern es erschwert dieses Doppelinteresse, weil