Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 53. Sitzung / Seite 160

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ein Mitarbeiter im Unternehmen produktiv sein muß, bleibt ihm nur ein Drittel netto zur Verfügung. Er bekommt es dann schon in anderer Form wieder, 13. und 14. Gehalt, bezahlte Ausfallzeiten. Das stimmt schon. Aber letztlich ist es doch eine unerhörte Einschränkung der Verfügungsmacht des Mitarbeiters über das, was er im Unternehmen an Wertschöpfung erarbeitet hat.

Herr Bundesminister! Sie sind über die Zitate des Herrn Stummvoll, der Ihnen aus Ihren eigenen Verordnungen, die zum Entwurf ausgesendet wurden, vorgelesen hat, ein bißchen locker hinweggegangen. Ich meine, es gibt doch so etwas wie die Verantwortung des Ministers für das, was an Verordnungsentwürfen aus seinem Haus gesandt wird. Sie können nicht ganz einfach sagen: Na ja, das war ja nur eine Begutachtung. Dieser Entwurf, den Sie da betreffend Bildschirmarbeit ausschickten, und die Art und Weise, wie Sie ihn formuliert haben, nämlich bürokratisch, sind meiner Ansicht nach das klassische Beispiel dafür, wie man eine einfache, nach dem Verantwortungsprinzip ausgerichtete Richtlinie der Europäischen Union unvorstellbar verbürokratisiert. Aber Sie können sich doch nicht hier im Hohen Haus ganz einfach damit rechtfertigen: Na ja, das war ja nur ein Begutachtungsentwurf, und so genau kenne ich mich da nicht aus. Es liegt in Ihrer Verantwortung, was aus Ihrem Haus hinausgeht.

Ich habe jetzt sogar das Wort gefunden: Sie sind eine "monokratische Behörde". Das hat mir einer unserer klugen Verfassungsrechtler gesagt. Sie tragen die Verantwortung für das, was aus Ihrem Haus hinausgeht. Und welche Anordnung von Arbeitsmitteln und Arbeitsvorlagen für Bildschirmarbeitsplätze aus Ihrem Haus hinausgegangen ist, ist "reiner Holler", bitte! Das paßt in einen Faschingsbrief. Wollen Sie wirklich vom Arbeitsinspektor messen lassen, ob der Winkel zwischen dem Unterschenkel und dem Oberschenkel 90 Grad beträgt? Wollen Sie das wirklich?

In der EU-Richtlinie steht ganz einfach "Arbeitsmittel" drinnen und außerdem, daß eine Fußstütze selbstverständlich zur Verfügung zu stellen ist. Aber da trennen sich Welten. Ich habe immer den Verdacht, daß Herr Feurstein als Sozialsprecher der ÖVP Sie da ganz gern unterstützt, er ist auch so ein großer Reglementierer. Sie glauben wirklich, in einer Verordnung den Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel mit 90 Grad festlegen zu müssen. Herr Minister, bitte gehen Sie weihnachtlich in sich: Das ist doch Unsinn! Das ist hanebüchener Unsinn, was Sie da machen! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß die Arbeitsmedizin ein neues Feld ist, ist unbestritten. Wir wissen, daß viele Betriebe, weil sie gemäß der Arbeitsmedizin nicht fortschrittlich genug sind, letztlich interne Kosten zu externen Kosten derer machen, die dann diese Leiden letztlich heilen müssen. Müssen wir deswegen jetzt wirklich dem Unternehmen vorschreiben, je nachdem, wie groß es ist, ob es jetzt 50 oder 100 Mitarbeiter hat, wie viele Stunden pro Jahr, ganz genau gezählt – das muß auch jemand kontrollieren, der muß einen Stempel geben, ob derjenige wirklich da war oder nicht –, dieser Betriebsmediziner anwesend zu sein hat? Können Sie das nicht über das Verantwortungsprinzip des Unternehmers lösen und ihm sagen: Paß auf, du bist dafür verantwortlich, daß deine Arbeitsplätze diese und jene ergonometrischen Standards haben! Wie du diese Standards erfüllst, wie du den Nachweis zum Beispiel an das Arbeitsinspektorat erbringst, daß du diese Standards erfüllst, ist mir gleich, aber erbringe den Nachweis! – Lassen Sie uns doch bei der Lösung dieser wichtigen Arbeitnehmerschutzaufgaben kreativ sein und behandeln Sie uns nicht wie kleine Kinder, denen man wirklich alles bis ins Details vorschreiben muß!

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich halte dieses Arbeitnehmerschutzgesetz in dieser Form für unvollziehbar. Abgeordneter Haselsteiner wird diesbezüglich noch einen Antrag in diesem Hohen Haus einbringen.

Es sei mir eines abschließend noch einmal erlaubt zu sagen: Wenn wir in Österreich mit der Reglementierung im Detail so fortfahren, werden all diejenigen, die von Entbürokratisierung reden, unglaubwürdig. Sie müssen sich überlegen, was Sie wollen: Wollen Sie Entbürokratisierung oder wollen Sie weitere Reglementierung? Beides zu vertreten ist nicht möglich. (Beifall beim Liberalen Forum.)

19.29


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