Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 47

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Haider! Wenn Sie meinen, daß Ihre jetzt schon zehn Jahre alte Formel "Ausländer raus, Arbeitslose rein in die Arbeitswelt!" ein probates Mittel zur Lösung des Problems Arbeitslosigkeit ist, dann irren Sie sich, und zwar schon rein aus Gründen der Struktur der Arbeitswelt. Außerdem ist das inhuman und inakzeptabel.

Wenn Herr Vizekanzler Schüssel dann die "Schüssel-Formel" anhängt, indem er sagt, wenn wir nicht darauf achten, daß unsere Krankenschwestern nicht weggeheiratet werden, und wir zu wenige ausgebildet haben, dann müssen wir ins ferne Ausland fahren und Philippinos anheuern – er hat interessanterweise nicht Philippininnen gesagt; das ist vielleicht in Zeiten des Streites um die Position der Frauen auch ein interessanter Versprecher gewesen –, also Krankenschwestern anheuern, dann muß ich sagen: Damit gibt er offenbar auch ein ähnliches Visitenkärtchen ab wie Kollege Haider. Nur hat er es schöner getarnt; er hat sich ja selbst einmal den "guten Haider" genannt. Also, der "gute Haider" spricht von den ausländischen Krankenschwestern, und der "schlechte Haider" nennt das Kind beim Namen, nämlich "abschieben". Und das ist, finde ich, nicht gut in einer Debatte, in der es um die Schwachen in der Gesellschaft geht, und die ausländischen Mitbürger in unserem Land sind die Schwachen in unserer Gesellschaft, glauben Sie mir das. Die russischen Multimillionäre sind nicht unser statistisches Problem, die sind vielleicht ein kriminalpolitisches Problem. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Daher meine ich, daß es an der Zeit wäre, daß Voraussetzungen dafür geschaffen werden – auch von seiten der Bundesregierung –, die Entkoppelung der Arbeitswelt von der sozialen Sicherung einmal auf die Füße zu stellen. Jedes Mal, wenn wir das Wort "Grundsicherung" in den Mund nehmen, wird uns entgegengerufen: Das ist nicht finanzierbar! Der Finanzminister hat das zwar als ein interessantes Modell, als einen interessanten Ansatz bezeichnet, aber er hat Finanzierungsskepsis an den Tag gelegt.

Jetzt sage ich Ihnen: Natürlich ist es ein anspruchsvolles Vorhaben, aber wenn man nicht einmal untersucht, welche die Parameter sind, wenn man die Daten nicht offenlegt, wenn man die Sozialhilfebudgets versteckt, statt sie herzuzeigen, wenn man bei Arbeitsmarktdaten und insbesondere auch bei AMS-Daten 7,5 Milliarden Schilling als Pauschalsumme nennt und nicht sagt, was damit wirklich geschieht, wenn man die Volumina nicht klar definiert, dann kann man nicht darüber streiten – im besten Sinn des Wortes.

Ich sage Ihnen mit der Sicherheit eines Menschen, der sich damit lange beschäftigt hat: Das ist im Rahmen einer umfassenden Steuerreform finanzierbar, wenn Sie es als ein Element des Steuersystems sehen, wenn Sie es zum Beispiel als Negativsteuer sehen. Es ist nicht leicht, es wird schwierig sein, es wird eines großen sozialen Kontraktes in der Bevölkerung bedürfen, es wird eines neuen Generationenvertrages bedürfen, aber wenn wir nichts Neues machen, sondern nur das Alte, was von Tag zu Tag zunehmend versagt, auszubessern versuchen, die alte Maschine immer wieder nur flicken, statt eine neue Konstruktion zu entwerfen, dann werden wir das Problem nicht lösen. Wir müssen reformatorisch werden, wir dürfen nicht pragmatisch bleiben!

Natürlich muß man bei diesen Dingen Augenmaß haben. Also Sie werden gerade mir als einem Angehörigen der liberalen Fraktion sicher einräumen, daß ich kein gewaltsamer Revolutionär bin, aber ohne Umwälzungen im System – und das sage ich ganz bewußt – wird es nicht gehen.

Wenn wir auf der einen Seite zuschauen, wie wir an der Harmonisierung der Besteuerung der internationalen Kapitalerträge scheitern, und auf der anderen Seite Kollege Haider meint, die Währungsunion sei überhaupt vom Bösen, und die Dritten meinen: Na ja, man wird da in Maastricht eben etwas dazuhängen müssen!, dann sage ich Ihnen: Die Währungsunion ist aus sozialpolitischer Sicht die Voraussetzung für die Harmonisierung der Sozialpolitik, denn erst dann, wenn ich auf dem europäischen Kontinent eine gemeinsame Währung habe, kann ich auch nachprüfbare gemeinsame soziale Standards setzen (Beifall beim Liberalen Forum), denn sonst verstecken sich die einzelnen Regierungen hinter der Undurchsichtigkeit der Währungsrelationen. Oder wissen Sie auswendig, wie der Gulden zum Schilling steht, wie die Lira zum Franc steht, wie das Pfund zur D-Mark steht? Wissen Sie das alles auswendig? – Das wissen Sie sicher nicht auswendig! Und davon, daß wir das nicht auswendig wissen, lebt


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