Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 72

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Ich meine, daß sich heute kein Unternehmen willkürliche Aktionen leisten kann, wenn es verstanden hat, was Unternehmenskultur ist, und wenn es weiters verstanden hat, daß es heute letztlich nur mit seinen Mitarbeitern, nicht aber gegen sie Kundenbedürfnisse befriedigen kann.

Sie haben eine gesetzliche Regelung gemacht, die einen Schritt in die richtige Richtung geht, haben aber leider wieder eine bürokratische Umsetzung gewählt. Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Haben Sie sich einmal all diese gesetzlichen Regelungen, die Sie heute beschließen werden, angeschaut? Haben Sie sich einmal angeschaut, wie kompliziert sie sind? – Ja glauben Sie, daß die Summe der Mitarbeiter in Österreich, die Summe der Mitarbeiterinnen, der Unternehmerinnen und Unternehmer diese gesetzlichen Regelungen wirklich verstehen können? Glauben Sie wirklich, daß sie diesen Wust von Paragraphen und Ausnahmebestimmungen wirklich erfassen können? Sind Sie sich dessen bewußt, wenn Sie das heute – obwohl es in die richtige Richtung zielt – so beschließen, daß Sie wiederum einen nächsten Stein dazu legen, daß Rechtsunsicherheit in Österreich herrscht? Es herrscht Rechtsunsicherheit deswegen, weil die Menschen, die mit diesem Gesetz arbeiten sollen, nicht in der Lage sind, es im Detail, in seiner Komplexität, in seiner Vielzahl von Bestimmungen – von den Schlichtungsausschüssen, die es da gibt, gar nicht zu reden – zu erfassen.

Unser liberaler Modellvorschlag war einfach. Wir haben gesagt: Jahresarbeitszeit; wer diese überschreitet, Überstunden. Wochenarbeitszeit – International Labour Organisation, Sozialcharta der Europäischen Union – 48 Stunden, alles darüber: Überstunden. Tagesarbeitszeit: zehn Stunden. Was darüber liegt: Überstunden. – Das ist überschaubar, kontrollierbar und erfaßbar. Darunter muß man sich zur Ausgestaltung auf Kollektivvertrags-, auf Betriebsvereinbarungs- und Dienstvertragsebene bekennen.

Wenn man aber glaubt, oben, im unabdingbaren Recht – was Sie mit diesem Gesetzesbeschluß, den Sie heute fassen werden, tun – alles regeln zu müssen, verliert man meiner Ansicht nach an Überschaubarkeit, an Rechtssicherheit und an der Chance, die die Flexibilität für mehr Beschäftigung in Österreich bietet. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Reitsamer. – Bitte.

13.18

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Sonntagsarbeit bleibt weiterhin grundsätzlich verboten. Ich lasse die Geschichte über die Entstehung des heute zu beschließenden Gesetzes ein bißchen Revue passieren und führe mir die Verhandlungsrunden vom Herbst 1996 vor Augen, nämlich das absolute Nein zur Absicherung über Kollektivverträge und immer die Rute im Fenster: Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Ich darf hier sagen: Ich glaube an die Sicherung von Arbeitsplätzen, aber ich zweifle daran, daß zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Das darf ich hier schon deponieren. (Abg. Mag. Peter: Sie müssen sie nur zulassen!) Langsam! Zu Ihren Ausführungen komme ich noch, lieber Herr Kollege Peter!

Besonders ärgerlich habe ich die Diskussion um die Sonntagsarbeit gestern im Radio gefunden, als ich hörte, daß sich Kollege Kiss von der ÖVP zu dieser Frage geäußert hat und dies jetzt plötzlich so dargestellt wird, als wäre Sonntagsarbeit für alle Arbeitnehmer gang und gäbe. (Abg. Kiss: Wovon reden Sie?)

Schon bisher waren durch Verordnungen Ausnahmen möglich, allerdings Ausnahmen ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen, wie die Frau Bundesministerin heute hier schon gesagt hat. Wenn es um diese Verordnungen gegangen ist, haben nicht selten sogar betroffene Arbeitnehmer aus Angst um ihren Arbeitsplatz interveniert, damit ja die begehrte Ausnahme bewilligt wurde.

Der Druck der Wirtschaft dahin gehend, daß auch wirtschaftliche Aspekte bei der Zulassung von Sonntagsarbeit eine Rolle spielen sollten, ist ja seit Jahren ein ganz erheblicher. § 12a des Arbeitsruhegesetzes verändert das System des grundsätzlichen Arbeitsverbotes an Sonn- und Feiertagen nicht. Allerdings wird es auf kollektivvertraglicher Basis gestattet, bei Vorliegen


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