Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 71

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man vorher geleistete und bezahlte Überstunden abfeiert, weil man nichts zu tun hat, werden wir uns in dem weltweiten Wettbewerb, in dem wir stehen, nicht mehr gestatten können.

Ich bedauere heute, wenn der Streit zwischen dem Gewerkschafter und dem Betriebsrat ausbricht. Ja woher nimmt denn der Gewerkschafter das Recht, anzunehmen, daß er klüger wäre als ein Betriebsrat? (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.) Ein demokratisch gewählter Betriebsrat bestimmt eine Regelung für einen Betrieb. Ein demokratisch legitimierter Betriebsrat sagt, so wollen wir in dem Unternehmen arbeiten – und dann kommt die Gewerkschaft und sagt: Nein, nein, das dürft ihr aber nicht! Das ist doch eine Reglementierung von oben nach unten, die vielleicht gewissen Machterhaltungszentren dient, aber weder der Produktivität noch der Lebensqualität der Mitarbeiter, die sich ja mit ihrem Betriebsrat den Kopf darüber zerbrochen haben, wie sie auf ihrem Standort mit ihren Kunden in ihrer Lebenssituation arbeiten wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Meine Damen und Herren! Folgendes muß klar sein und feststehen: Wirtschaft ist kein Selbstzweck. Wenn wir wirklich glaubten, daß Wirtschaften ein Zweck an und für sich wäre, dann wären wir fehlgeleitet. Wirtschaft hat einen einzigen Grund – je weniger wir ihn brauchen, umso besser –, nämlich die gesellschaftliche Wertschöpfung darzustellen, von der wir leben, mit der wir arbeiten können und in der wir uns kulturell verwirklichen können. Dieser Lebenserwerb muß den Kundenbedürfnissen selbstverständlich folgen, denn wer Kundenbedürfnissen nicht folgt, wird keinen Lebenserwerb haben. Dann muß er einen anderen haben, wenn er sich dem einen verweigert. Das heißt, je mehr wir die Arbeitswelt schützen, desto geringer ist die Chance, mit diesen Regelungsbestimmungen erfolgreich zu sein. Das heißt nicht, daß Arbeitnehmerschutz nicht unverzichtbar und wichtig ist, aber je rigider man ihn gestaltet, desto geringer ist die Chance auf Erfolg. Das hängt zusammen! Das muß man wissen! Da muß man zwischen Gütern abwägen!

Anerkennen wir doch: Die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter sind unterschiedlich. Es gibt Lebenssituationen, in denen Menschen anders arbeiten wollen als die Vielzahl der Menschen. Lassen wir doch etwa das Architekturbüro frei entscheiden, wo zwei Chefs und fünf Mitarbeiter gemeinsam sagen: Wir arbeiten Samstag, Sonntag, Montag und Dienstag. Samstag und Sonntag sind wir kreativ, denn da stört uns niemand. Montag und Dienstag kommunizieren wir mit unseren Kunden, und wenn viel zu tun ist, nehmen wir den Mittwoch dazu. Aber zumindest am Donnerstag und Freitag wollen wir frei haben, um so den Ballungserscheinungen der Freizeitgesellschaft entgehen zu können.

Warum wollen Sie denn das nicht zulassen? – Das hat doch nichts damit zu tun, daß derjenige, für den der Sonntag wichtig ist, innerhalb der innerbetrieblichen Mitbestimmung sagt: Das ist mein Lebensbild, und in diesem Lebensbild will ich verhaftet bleiben. Wir haben doch eine neue Gesellschaft! Wir haben doch Singles, wir haben die berühmten "Dinks" – d ouble i ncome, n o k ids –, wir haben die Familien mit erwachsenen Kindern, wir haben doch in zunehmendem Maße eine sich aus den alten Formen des Zusammenlebens lösende Gesellschaft. Lassen wir ihr diese Möglichkeit! Lassen wir aber genauso Familien mit Kindern – und das geht nur, wenn ich in der innerbetrieblichen Mitbestimmung wirklich auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters eingehe – selbstverständlich das Recht, Tage gemeinsam zu verbringen.

Über die Kultur der Arbeitsverfassung sollten wir diskutieren, wenn wir über die Zeitordnung dieser Gesellschaft sprechen. Die Kultur der Arbeitsverfassung, die gestärkt werden muß, die auszubauen ist, wird der eigentliche Nukleus für die neue Arbeitswelt in einer neuen Zeitordnung unserer Gesellschaft sein.

Meine Damen und Herren! Sonntagsarbeit wird also eine Ausnahme bleiben, solange eine Mehrheit der Menschen in diesem Lande das will, aber nicht, weil wir ein Dogma aufrechterhalten. Sonntagsarbeit wird dort zu leisten sein, wo sie notwendig ist und wo sie gewünscht wird. Und sie wird in einem kleinen, überschaubaren Bereich teilweise gewünscht. Es werden aber mehr Menschen werden.


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