Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 131

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es gestern bei unserer Enquete gesehen – haben Angst vor dieser Zukunft, haben Angst, daß behinderte Menschen, beeinträchtigte Menschen nicht mehr als Menschen gesehen werden, sondern nur mehr als Nutzen oder Unnutzen für die Wissenschaft. Und dazu darf es in Österreich ganz einfach nicht kommen!

Ich weiß, daß es immer heißt, das eine sind die Kriterien der Bioethikkonvention, das andere sind die Menschenrechtsstandards, die wir in Österreich haben. Ich möchte hinzufügen: die wir in Österreich noch haben. Denken Sie einmal darüber nach, wie viele Standards, hohe Standards, wir in Österreich bereits hatten, die im Interesse der Wirtschaft, der Forschung, im Interesse von Geld und Macht bereits reduziert und aufgegeben wurden. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. ) Das kann genauso im Bereich der Menschenrechte passieren.

Herr Minister Bartenstein! Sie sagten gerade: Nein, Frau Abgeordnete, das stimmt nicht. – Es stimmt schon. Man braucht eigentlich nur daran zu denken, wie im Umweltbereich die Standards Schritt für Schritt fallen. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Welche denn?!) Man braucht nur daran zu denken, wie sich auch im Bereich der Verkehrssituation die Standards nach unten verschoben haben (Abg. Aumayr: Lebensmittelgesetz!) , und auch die Menschenrechtsstandards werden nicht davor verschont bleiben, nach unten revidiert zu werden.

Das ist die große Gefahr, die sich für uns behinderte Menschen auftut, und dieser Gefahr wollen wir Grünen im Interesse der beeinträchtigten Menschen in Österreich nicht tatenlos entgegensehen.

Der Entschließungsantrag, den ich heute eingebracht habe, verlangt nicht die Welt von allen Abgeordneten, die hier sitzen. In diesem Entschließungsantrag, den ja Herr Guggenberger bereits verlesen hat, ersuche ich das Parlament lediglich, sich dazu zu bekennen, daß es den Schutz der Menschenrechte und den Schutz von nicht einwilligungsfähigen Personen nicht aufgibt, sondern aufrechterhält.

Das wollen die Menschen in Österreich wissen. Die Menschen wollen wissen, wie es um ihre Menschenrechte steht, wenn sie nicht mehr zu denen gehören, die den Ansprüchen von Leistung und Qualität genügen, sondern aufgrund einer Behinderung, einer Beeinträchtigung nicht mehr in der Lage sind, dem sogenannten Normmenschen zu entsprechen.

Die Bioethik als ein Teil der gesamten neuen Technologien ist eine gefährliche Ethik. Die Bioethik hat uns gerade in den letzten Wochen gezeigt, was mit Tieren bereits alles möglich ist. Es wurde nicht verschwiegen, daß das, was heute mit Tieren gemacht werden kann, schon sehr bald auch mit Menschen möglich ist. Es ist eine Horrorvision, daran zu denken, daß man behinderte Menschen in Zukunft wieder auslöschen beziehungsweise ihnen nicht mehr die Chance geben wird, daß sie geboren werden, daß sie die Freiheit haben, als behinderte Menschen zu leben.

Es wird wieder versucht, zwischen lebenswertem und unlebenswertem Leben zu selektieren, und zum unlebenswerten Leben gehören eben Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Bioethikkonvention in der Form, wie sie jetzt besteht, ist der erste Schritt dazu, daß behinderte und beeinträchtigte Menschen ihr Lebensrecht wieder diskutieren müssen. Das darf nicht passieren!

Ich fordere Sie daher auf, heute zu beschließen, den Schutz von einwilligungsunfähigen Personen zu gewährleisten. Das ist, glaube ich, nicht zuviel verlangt. Jeder Österreicher und jede Österreicherin kann von diesem Parlament erwarten, daß der Schutz der Menschenrechte in Österreich nicht nur heute, sondern langfristig besteht (Beifall bei den Grünen), daß der Schutz der Menschenrechte nicht durch eine Bioethikkonvention oder durch andere Gesetze in Gefahr gebracht wird und daß behinderte Menschen weiterhin dasselbe Recht auf Leben haben, wie es nichtbehinderte Menschen für sich in Anspruch nehmen.

Wir behinderten Menschen haben auch etwas anzubieten. Wir haben Lebenserfahrung, wir haben Selbstbestimmung, und das wollen wir der Bioethik und den Bioethikern entgegensetzen. Wir erwarten, daß unser persönliches Ich von den sogenannten Nichtbehinderten angenommen


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