Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 16

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Zu dieser sogenannten Inflation kommt es meiner Meinung nach in Wahrheit deshalb, weil die Regierung gerade im sozialen und ökologischen Bereich viele Ankündigungen gemacht hat, aber in der Umsetzung, bei der Realisierung alles schuldig geblieben ist. Und deswegen handelt es sich nicht um eine Inflation, um ein Zuviel an direkter Demokratie, sondern um ein notwendiges demokratiepolitisches Aufwachen, das ich und das wir von den Grünen sehr, sehr begrüßen.

Meine Damen und Herren! Es ist aber im Vorfeld dieser Volksbegehren – nicht nur von Regierungsseite und auch im Zusammenhang mit dieser Sondersitzung – die Rede von einer Vereinnahmung von Themen gewesen, von einer Unzulässigkeit der Thematisierung von Volksbegehren hier in diesem Hohen Haus im Rahmen einer Sondersitzung. Ich halte diese Argumentation geradezu für absurd.

Meine Damen und Herren! Die Grünen haben seit ihrem Einzug in dieses Parlament – seit 1986 – in beiden Sachbereichen, sowohl was Maßnahmen zur Aufhebung der Diskriminierungen von Frauen als auch was Gentechnik betrifft und Technologiefolgenabschätzung allgemein, immer Schwerpunkte ihrer parlamentarischen Arbeit gesetzt. Selbstverständlich bleiben wir diesen Schwerpunkten gerade auch im Vorfeld eines Volksbegehrens treu. Mehr noch: Wir sehen uns tatsächlich als das parlamentarische Sprachrohr dieser überparteilichen Volksbegehren, und wir wollen hier im Parlament, wo das auch hingehört, eine Klärung dessen, wie die Bundesregierung, wie die zuständige Bundesministerin zu diesen berechtigten Anliegen der österreichischen Bevölkerung stehen.

Die Klärung ist hier in diesem Hause während der Eintragungswoche zu einem Volksbegehren durchzuführen, denn allzuviel ist schon passiert in Sachen Verwirrspiel auf Regierungsebene. Es gibt zu beiden Volksbegehren auch in den Regierungsparteien Stimmen, die sagen, ja, wir unterstützen das, wir tragen das mit. Unsere Frage ist: Was heißt das dann in der parlamentarischen Umsetzung? Wie werden Sie sich, Frau Bundesministerin, als Regierungsmitglied, wie wird sich Ihre Fraktion in Zukunft verhalten? – In der Vergangenheit haben wir von den Grünen sehr, sehr viele Anträge gestellt, eigentlich zu allen elf Punkten des Frauen-Volksbegehrens, zu allen drei Punkten des Gentechnik-Volksbegehrens. Bisher sind all diese Anträge entweder schubladisiert worden, oder sie sind auch mit den Stimmen der Regierungsparteien, mit den Stimmen der Sozialdemokratie abgelehnt worden.

Unsere Frage ist jetzt: Wie wird das in Zukunft sein: verbale Ankündigungen, verbale Unterstützung – oder tatsächliche Umsetzungen? Das ist die zentrale Frage, um die es heute geht. Werden den verbalen Ankündigungen Taten folgen, oder wird es auch in Zukunft ein Verwirrspiel sein?

Ein Weiteres: Es wird, so nehme ich an, auch ein Antrag der Liberalen heute zur Abstimmung stehen, in dem man die Berechtigung von Abgeordneten zur Einleitung von Volksbegehren abschaffen will. An die Kollegen von der liberalen Fraktion gerichtet: Man kann selbstverständlich über diese Bestimmung diskutieren. Nur denke ich, gerade in Österreich und gerade zu einer Zeit, zu der endlich dieses demokratiepolitische Aufwachen geschieht, müssen wir uns wirklich fragen: Wie steht es um die direkte Demokratie in Österreich? Haben die Bürgerinnen und Bürger genug Rechte – oder nicht? – Meine Antwort ist ein klares Nein.

Der Zustand der direkten Demokratie in Österreich ist dergestalt, daß – man könnte es überspitzt so formulieren – Metternich geradezu seine Freude daran haben könnte. Frau Dr. Schmidt, der Gang zum Gemeindeamt, die beglaubigte Unterschrift von 10 000 Menschen sind viel zu hohe Hürden – ebenso wie für die Kandidatur von Gruppen zu Gemeinderatswahlen, zu Landtagswahlen. Und wenn man über dieses sogenannte Privileg der Abgeordneten redet, dann nur und ausschließlich Hand in Hand mit einer Senkung der allzu hohen Hürde für die Bürgerinnen und Bürger. Das führt zu Bespitzelung, das führt zu Verfolgung in vielen Bereichen – auf Gemeindeebene, auf Landesebene –, und das ist ein Unding. Daher verwenden wir doch dieses sogenannte Privileg als Faustpfand dafür, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Österreich tatsächlich zu stärken – so und nicht anders! (Beifall bei den Grünen.)


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