Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 58

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12.31

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ofner hat gesagt, solange man einen Abgeordneten braucht, um jemandem ein Bett in einer Entziehungsanstalt zu verschaffen, ist die Situation dramatisch. Ich möchte ihm diesbezüglich recht geben.

Die Situation ist dramatisch, weil man in dieser Etappe kaum mehr andere Möglichkeiten hat, außer mit Methadon auszuhelfen. In dieser Etappe würde ich etwa das verfolgen, was jetzt in Zürich und auch in Deutschland sehr gut angelaufen ist – da möchte ich Kollegen Rasinger recht geben, der jetzt gerade hinausgeht –: In Deutschland ist man dabei, einen neuen therapeutischen Ansatz zu implementieren, das heißt, daß man eine Abgabe von Heroin in kontrolliertem Rahmen ermöglicht. Das ist wie in Zürich, wo eine Station eingerichtet wurde, in der die Süchtigen in Zusammenarbeit mit den Ärzten vereinbaren, welche Menge sie benötigen. Manche Süchtige sind auch damit einverstanden, die Menge zu verkleinern, um dadurch einen Entzug sozusagen überhaupt erst zu ermöglichen.

Das Gute daran ist, daß diese Süchtigen wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden können, daß es weniger Infektionen gibt, weil sie sich etwa über Spritzen nicht mehr infizieren. Sie haben weniger Infektionen, weil die Gelegenheiten, infiziert zu werden, nicht mehr gegeben sind, weil ihr Gesundheitszustand wesentlich besser ist, weil sie in einem geregelten Leben, einem geregelten Broterwerb nachgehen können. Das, so glaube ich, ist der Ansatz, der sehr ernst ist und den wir in Österreich mitverfolgen sollten. Es reicht nicht, nur mehr Betten zur Verfügung zu stellen, sondern ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Selbstverständlich gegen Entgelt. (Abgeordnete der Freiheitlichen unterhalten sich laut.)

Ich weiß nicht, Herr Haider, ob Sie sich wegen mir oder wegen Ihrer Partei aufregen (Abg. Dr. Haider : Sie sind nicht so bedeutend!) , aber hören Sie mir zu, dann werden Sie vielleicht Ansätze finden, wie man die Drogenpolitik in Österreich besser gestalten könnte!

Ich glaube wirklich, daß man den Menschen helfen könnte, indem man ihnen diese Möglichkeiten bietet, das heißt also, saubere Spritzen, saubere Produkte zur Verfügung stellt. Im Sinne der Entwicklung, die es jetzt auch in Amerika gibt, haben wir bei Cannabis sehr wohl eine Unterscheidungsmöglichkeit. Es ist doch pervers, zu sagen, beim ersten Joint habe man nach dem österreichischen Rechtssystem keine Bedenken, sondern nach dem zweiten Joint innerhalb von fünf Jahren kämen die Bedenken, und man müsse sich erkundigen. Das ist doch eine perverse Situation. Entweder man hat Bedenken, dann muß der erste Joint ausreichen, oder man hat keine Bedenken, und dann ist es völlig irrelevant, ob man jemanden beim ersten oder beim zweiten oder gar beim dritten Mal erwischt.

Ich glaube wirklich, daß man bei Cannabis eine Milieutrennung machen kann, eine Milieutrennung, die es auch ermöglicht, einer Sucht nachzugehen. Obwohl wir vom Liberalen Forum durchaus eine suchtfreie Welt als ein Idealbild ansehen würden, sehen wir ein, daß sich manche Personen Suchtmittel gönnen wollen. Darunter fallen Alkohol und Nikotin – schauen Sie einmal, wer aller draußen raucht –, und darunter fällt auch nun einmal Cannabis.

Solange das ein Bestandteil unserer Welt ist, muß man dem auch Rechnung tragen. Man sollte das Milieu trennen, indem man auf der einen Seite etwas legalisiert, was unbedenklich ist, was keine Einstiegsdroge ist, und was nur dann eine Einstiegsdroge bedeuten würde, wenn das Milieu nicht getrennt ist und daher Kriminelle den Vertriebsweg kontrollieren. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Totalverbote auszusprechen in einer Zeit, in der man an Lacken und Benzin snifft, Totalverbote auszusprechen in einer Zeit, in der man sich, wie jeder Vorredner bis jetzt gesagt hat, an jeder Schule alles Mögliche besorgen kann, was man will, halte ich nicht für eine sinnvolle Art und Weise, das Problem global anzugehen. Es ist nun einmal wirtschaftlich gesehen interessant, über dunkle Kanäle Suchtmittel nach Österreich und nach Europa zu bringen, um damit viel Geld zu verdienen. Solange die ökonomische Komponente im Vordergrund steht, wird man sicherlich nicht in der Lage sein, diese Situation auf Dauer in den Griff zu bekommen.


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