Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 67

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lösen. Es kann nur ein Weg zur Problemlösung sein, denn eine suchtfreie Gesellschaft wird es nicht geben, die hat es nie gegeben, und es wäre eine Illusion, daran zu glauben.

Der Gesetzgeber muß aber auf die negativen gesellschaftlichen Phänomene im Zusammenhang mit den Suchtmitteln reagieren, und zu diesen Phänomenen gehören erstens die Selbstzerstörung und die soziale Entwurzelung, zweitens die Begleitkriminalität und drittens das Aufbrechen der Marktmechanismen, die, wie Herr Kollege Van der Bellen ausgeführt hat, dazu geführt haben, daß wir die Mafia in diesem Bereich ziemlich groß haben werden lassen.

In der letzten Zeit ist diesen Marktmechanismen in der Suchtmitteldebatte besonderes Augenmerk geschenkt worden, und gerade in den Forderungen der Grünen in Richtung Freigabe oder eben staatlich kontrollierter Abgabe von Heroin nimmt man besonders auf diese Marktmechanismen Bezug. (Abg. Dr. Pumberger: Das will auch Leiner von der ÖVP!)

Herr Kollege Van der Bellen! Ich kenne den Ansatz, der in diese Richtung geht, ich glaube aber, daß er noch sehr, sehr problembehaftet ist. Derzeit gibt es ein Programm der UNO in Zürich, bei dem die kontrollierte Abgabe von Heroin an Süchtige erfolgt. Dieses Forschungsprogramm wird zeigen, wie sich das insgesamt auswirkt. Ich glaube den Polizeipräsidenten, die hoffen, daß damit einige Probleme gelöst werden, nicht so sehr wie den Forschungsergebnissen, die aus diesem Programm in Zürich gewonnen werden und vielleicht in zwei Jahren vorliegen werden.

Bis dahin lehne ich eine staatliche Abgabe von Heroin ab, und zwar deshalb, weil wir auf das Phänomen des Drucks der Beschaffung ja ohnehin mit Substitutionsprogrammen reagieren. Wir arbeiten schon längere Zeit mit dem Methadon-Programm – bisher nur mit Verordnung, jetzt auch gesetzlich geregelt –, und ich glaube, daß wir damit schon einen Großteils des Drucks wegnehmen konnten.

Zugegebenermaßen hat Methadon natürlich auch Nebenwirkungen und ist wahrscheinlich noch nicht das Endergebnis der medizinischen Forschung. Ich gehe davon aus, daß speziell die pharmazeutische Industrie demnächst bessere Substitutionsprodukte vorlegen wird.

Die Marktmechanismen sind natürlich ein Riesenproblem, und wir reagieren ja in diesem Gesetz auch darauf, indem wir nicht nur die Drogen erfassen, sondern auch die Vorläufersubstanzen. Es ist nämlich auffallend, daß der Transport der Vorläufersubstanzen den umgekehrten Weg geht, und zwar von den Konsumentenländern, den klassischen Industrieländern, hin zu den Produzentenländern: zum Beispiel Essigsäureanhydrid, das zur Heroinherstellung benötigt wird, von dem 1996 in der Türkei 16,5 Tonnen beschlagnahmt wurden, die aus Europa stammten. Das heißt, die Vorläufersubstanzen gehen von der europäischen Industrie in die Produzentenländer und die Drogen kommen retour. Diese Vertriebswege gehören in internationaler Zusammenarbeit massiv gestört.

Dem Phänomen der Selbstzerstörung, das man natürlich gesellschaftlich behandeln muß, begegnen wir mit dem Grundsatz "Therapie statt Strafe". Heute ist speziell von der Freiheitlichen Fraktion so getan worden, als ob dieser neue Grundsatz ohnehin nicht zielführend wäre. (Abg. Dr. Pumberger: Für Kriminelle nicht!) Das möchte ich bestreiten, denn dieser Grundsatz war schon bisher als wesentliches Element im Gesetz verankert, allgemein unbestritten und geltendes Recht. Das kann man nicht ignorieren. Neu ist aber der Vorschlag, Süchtigen, die zur Beschaffung des für ihre persönliche Sucht benötigten Suchtgifts andere strafbare Handlungen begangen haben, andere Möglichkeiten anzubieten. (Abg. Dr. Pumberger: Auch wenn jemand eine alte Frau niederschlägt?)

Natürlich muß man hierbei berücksichtigen, wie groß das Verschulden ist. Und wenn Sie, Herr Kollege, das Gesetz genau gelesen haben (Abg. Dr. Pumberger: Habe ich!) , dann wissen Sie, daß die Kriminellen nicht frei gehen; so ist es ja nicht, sondern es ist eine vorläufige Zurücklegung durch den Staatsanwalt – gekoppelt an eine sehr geringe Schuld. Das heißt, wenn einer eine alte Frau niederschlägt, dann ist die Schuld nicht gering, dann kommt dieser Ansatz nicht zum Tragen. (Abg. Mag. Stadler: Wie beim Herrn Wegas!) Beim Herrn Wegas ist die Tat erst nach dem Therapieansatz geschehen (Abg. Mag. Stadler: Er hat sich ja nicht therapiert!) , und deshalb lebt ja die Strafe wieder auf. (Abg. Dr. Haider: Das beschließt ihr ja erst!) Das war


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