Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 151

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19.14

Abgeordneter Anton Leikam (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das "Mykonos"-Urteil in Deutschland sorgt für beträchtliches Aufsehen, und das in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist es der Prozeß selbst, der für Aufsehen sorgt. Immerhin mußten 3 000 Polizisten abgestellt werden, um den Prozeß überhaupt ordnungsgemäß abwickeln zu können. Zum zweiten sind es die Auswirkungen dieses Prozesses, die für Aufsehen sorgen, ist es das Urteil, das dort gefällt worden ist.

Auf der einen Seite demonstrieren im Ausland Zehntausende gegen die deutsche Botschaft, auf der anderen Seite hören die Oppositionspolitiker in Österreich aufgrund dieses Urteils sozusagen das Gras wachsen, und sie verlangen dringend nach Untersuchungsausschüssen. (Abg. Ing. Langthaler: Da geht es doch nicht nur um Oppositionspolitiker! Haben Sie das Urteil nicht gelesen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Spielchen, das hier gespielt werden sollte, ist sehr durchsichtig. (Abg. Dr. Graf: Das ist kein "Spielchen"! Das ist Vertuschen, eine ganz ernste Sache! Es geht um Menschenleben!) Es ist ein sehr durchsichtiges Spiel, und das heißt nicht "Vertuschen", sondern es ist ein ausgesprochen durchsichtiges Spielchen, das hier gespielt werden soll. (Rufe bei den Freiheitlichen: Lucona! Noricum!)

Meine Damen und Herren! Ich werde auf Ihre Zwischenrufe schon noch zurückkommen.

Die Antragsteller tun nämlich heute so, als ob es bei der Ermordung der drei Kurden in Wien überhaupt keine Ermittlungen gegeben hätte, als ob hier überhaupt nichts geschehen wäre, als ob man da einfach zur Tagesordnung übergegangen wäre. Dem ist nicht so, meine Damen und Herren! Nach wie vor ist dieses Verfahren aufrecht. Nach wie vor besteht der internationale Haftbefehl gegen die mutmaßlichen Täter. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Jung: Nachdem ihr sie habt laufen lassen!) Überlassen wir es doch bitte zunächst einmal den Gerichten, zu urteilen, was hier geschehen ist. Ich habe schon gesagt: drei Jahre Prozeß in Deutschland, 3 000 Polizisten mußten den Prozeßverlauf schützen. Warten wir einmal das Ergebnis ab, warten wir ab, bis das, was die österreichische Justiz jetzt verlangt hat, nämlich eine Ausfolgung des schriftlichen Urteils, erfolgt ist, und dann sollen die österreichischen Justizbehörden diese Mordtat weiterverhandeln und weiterverfolgen. (Weitere Zwischenrufe des Abg. Jung. )

Warten wir das doch einmal ab! Haben Sie kein Vertrauen zur österreichischen Justiz? Ich habe Vertrauen zur österreichischen Justiz. Warten wir das doch einmal ab, und wenn alles auf dem Tisch liegt, dann sollten wir weiterverhandeln. – Oder sind Sie vielleicht schon im Besitz des schriftlichen Urteils von Berlin? Wir haben es noch nicht. (Abg. Scheibner: Das brauchen wir gar nicht! – Abg. Anschober: Sehen Sie sich die Polizeiakte einmal an!)

Sie nehmen, ausschließlich auf Presseberichte aufbauend, in Ihrer bekannten Art wieder Schuldzuweisungen vor, die wir auf das entschiedenste zurückweisen müssen, meine Damen und Herren! Wenn Sie das Urteil schon in Händen haben, dann sagen Sie es! Wir haben es noch nicht, und die österreichischen Justizbehörden haben es auch noch nicht. Daher können wir uns nur auf die derzeit bekannten Fakten stützen, und diese sind, daß es ein Verfahren in Österreich gibt und dieses Verfahren in dem Moment wiederaufgenommen und fortgesetzt wird, in dem das Gerichtsurteil auch bei den österreichischen Behörden eingelangt ist.

Das Parlament, meine Damen und Herren, kann auf keine entsprechenden Akten zurückgreifen. Wir müssen hier die Rechtshilfeverfahren in Anspruch nehmen, damit die österreichischen Gerichte überhaupt diese Unterlagen bekommen. Das Parlament bekommt das nicht. (Abg. Dr. Krüger: Ihr müßt viel zu verstecken haben!) Das österreichische Justizministerium hat sofort nach der Urteilsverkündung Kontakt mit den deutschen Justizbehörden aufgenommen. Ich sage daher noch einmal: Warten wir einmal ab, bis das Urteil hier ist und bis dann die österreichischen Behörden weiterermitteln.

Und auch zu Ihren Vorwürfen an österreichische Politiker ein klares Wort. Sie tun so, als ob hier überhaupt nichts geschehen wäre, Sie sagen: Alles ist vertuscht worden, alle haben mitgehol


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