Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 84

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geben, das war eine der Kriegsfolgen, das war eine der Folgen auch des Versagens der Ersten Republik, denn auch die Erste Republik hat sich, bezogen auf ihre Minderheiten, nicht ganz so benommen, wie sie es den Minderheiten versprochen hatte, wie sie es zum Beispiel der Minderheit in Kärnten vor der Volksabstimmung versprochen hatte; nach der Volksabstimmung hat es dann nicht mehr gegolten. Es hat eben auch – da haben Sie völlig recht – keine geschriebenen zwingenden Verpflichtungen gegeben.

Herr Kollege Wurmitzer! Ich bin Ihnen geradezu herzlich dankbar für diesen Zwischenruf, denn damit schildern Sie das Problem eigentlich deutlicher, als Sie es vielleicht beabsichtigt hatten. (Abg. Wurmitzer: Sie kennen sich nicht aus!) – Ich kenne mich ein bißchen aus in Kärnten, denn ich bin dort in die Schule gegangen. Herr Kollege Wurmitzer, es tut mir leid, ich kann einfach meine Biographie nicht umschreiben. Ich bin dort in die Schule gegangen. (Abg. Dr. Khol: Wo?) In Friesach. Es ist zwar vielleicht nicht zweisprachiges Gebiet, Herr Klubobmann, aber so groß und so unübersichtlich ist Kärnten auch nicht, und wenn man außerdem ein bißchen mobil ist, dann bemerkt man das. Abgesehen davon, habe ich mich auch zu anderen Gelegenheiten mit diesen Fragen beschäftigt, nämlich insbesondere im Rahmen des Stipendiums, das ich ausschließlich deswegen bekommen habe, weil ich mich zwei Semester mit Minderheiten- und Volksgruppenfragen beschäftigt habe. Es tut mir furchtbar leid.

Daher sage ich Ihnen noch einmal: Das sind Ausreden! Denn wenn Sie wirklich frohen Herzens und ehrlichen Gewissens Minderheitenförderung betreiben wollen – und das habe ich so zwischen den Zeilen durchgehört –, dann werden Sie sich nicht darauf berufen dürfen, daß Sie etwas deswegen nicht machen, weil es uns von den Alliierten im Staatsvertrag nicht zwingend vorgeschrieben wurde. – Der Zwischenruf des Kollegen Wurmitzer war daher verdeutlichend und erhellend.

Ich gebe zu, daß der Ortstafelstreit in Kärnten Anfang der siebziger Jahre eine sehr unerfreuliche Sache war und daß man bei der Implementation dieser Ortstafeln politisch vielleicht etwas waghalsig war. Das gebe ich zu, aber das Problem an und für sich wurde trotzdem richtig angegangen. Es geht nämlich darum: Wo gibt es zweisprachige Ortstafeln und wo nicht? – Daß man dort einen Rückzieher machen mußte, war bedauerlich genug, aber das war keine Frage des sozialen Konsenses, Herr Klubobmann Khol, sondern das war eine Frage des gesellschaftspolitischen Konsenses. Soziale Frage war das keine, aber möglicherweise war das nur eine semantische Spitzfindigkeit, vielleicht haben Sie das so gemeint. (Abg. Dr. Khol: Herr Kollege Kier! "Sozial" heißt "gesellschaftlich"!)

Was sich damals in Kärnten abgespielt hat – ich war in diesem Sommer dort, denn da habe ich noch studiert ... (Abg. Dr. Khol: Wenn Sie im Lexikon nachschauen: "Sozial" heißt "gesellschaftlich"! Das haben Sie bei Ihrem Stipendium nicht gelernt!) – Gut, dann sind wir uns schon wieder einig. Aber die soziale Lage der Roma im Sinne dessen, was Kollege Ofner gesagt hat, ist trotzdem etwas anderes als das soziale Problem rund um die Ortstafeln. Ich meine, da wird der Begriff "sozial" ein bißchen weit aufgespreizt, aber ich bin schon wieder bei Ihnen, wenn Sie das so interpretieren.

Nur: Das, was sich damals in Kärnten abgespielt hat, war beschämend. Es war beschämend, denn der Ortstafelsturm – das war es ja eigentlich – wurde teilweise auch von den Kräften der öffentlichen Hand getragen. Es war nicht so, daß da irgend jemand den Aufstand geprobt hat. Die Rolle der bewaffneten Exekutive in diesem Zusammenhang war nicht wirklich erfreulich.

Nun aber zu sagen, weil dieses Desaster passiert ist, mußte man außerdem auch noch das Schulwesen zurückbauen, ist Volksgruppenpolitik à la Wurmitzer. Es tut mir furchtbar leid. Es ist nicht logisch, dann, wenn man mit irgendeiner Maßnahme, was ihre gesellschaftspolitische Verträglichkeit anlangt, vielleicht übers Ziel geschossen hat, gleich andere Sachen zurückzubauen. Um den Vorurteilen sozusagen noch neue Nahrung zu geben, baut man zurück. Das war nicht logisch!

Ich würde sagen, diese Maßnahme wurde getroffen, obwohl sie sicher nicht vom einstimmigen Konsens der Volksgruppen getragen war, Herr Klubobmann Khol. Also: Wenn es um den Rück


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