Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 12

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Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich sage ganz offen: Wir würden uns einen Beitritt Sloweniens zur Europäischen Union wünschen, denn all diese Dinge sind, glaube ich, leichter in einem gemeinsamen Verbund zu lösen als außerhalb.

Ich bin auch besorgt über die Entwicklung in Slowenien. Ich habe jetzt keine genauen Berichte, aber die Medienberichte, die Agenturberichte, die ich bekommen habe, lauten darauf, daß jetzt wieder der Beschluß im slowenischen Parlament ausgesetzt wurde, das Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union und damit natürlich auch die Implementierung, die Umsetzung der Grundstücksbestimmungen, die Slowenien akzeptiert hat, abzuschließen. Und ich befürchte, daß, wenn das der Fall ist, der Beginn der Beitrittsverhandlungen Sloweniens Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres in Frage gestellt ist. Ich würde es bedauern, aber in diesem Fall müßte man wirklich sagen, daß die slowenische Seite selbst schuld ist, denn jemand, der nicht einmal ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union beschließt, kann nicht damit rechnen, daß die Verhandlungen beginnen. – Ich finde das schade.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Zusatzfrage? – Kollege Mag. Walter Posch, bitte.

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Bundesminister! Wurde vor dem österreichischen EU-Beitritt im Zuge der österreichischen Beitrittsverhandlungen von irgendeinem Mitglied der EU eine derartige völkische Bedingung hinsichtlich der Behandlung der Volksgruppen gestellt, wie die von Dr. Haider in seiner Frage apostrophierte.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Nein. Und ich sage auch ganz offen: Ich halte es nicht für richtig, daß man eine multi laterale Verhandlung mit noch so berechtigten – das habe ich, glaube ich, klargemacht – bi lateralen Anliegen vermischt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. Damit haben wir den ersten Fragenkomplex erledigt.

Die 2. Anfrage formuliert Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Frage:

123/M

Sollte es in der Endphase der Verhandlungen im Rahmen der Regierungskonferenz erforderlich sein, eine Entscheidung zu treffen zwischen dem Recht aller Mitgliedstaaten, in der Europäischen Kommission einen Kommissar zu stellen, oder die derzeit gültige Stimmgewichtung im Rat beizubehalten, welcher Option würden Sie den Vorrang geben?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter! Sie wollen jetzt haben, daß ich mich für eines von zwei Übeln entscheide, und das möchte ich eigentlich nicht machen. Ich möchte weder auf den österreichischen Kommissär verzichten noch eine Änderung im Stimmgewicht. Ich möchte das auch ganz kurz begründen.

Es ist für mich ein Grundprinzip der Europäischen Verfassung, wenn man so will – der Vertrag von Maastricht ist quasi die Europäische Verfassung –, daß jeder Mitgliedstaat in allen Organen der Europäischen Union vertreten ist, gleichgültig, ob es der Gerichtshof, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission ist. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß man den neuen Mitgliedsländern – dieses Thema ist ja deswegen aktuell, weil es jetzt um eine Erweiterungsrunde geht – das Recht verweigert, in der sehr schwierigen Anfangs- und Übergangsphase einen Kommissär zu haben. Noch weniger kann ich mir vorstellen, daß die Griechen auf einmal auf einen Kommissär verzichten sollen, wenn die Zyprioten einen haben, oder daß die Österreicher deswegen auf ihren Kommissär verzichten, weil ein Ungar oder ein Tscheche in der


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