Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 14

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Auch wir nehmen für uns eine gewisse Flexibilität manchmal gerne in Anspruch. Ich darf da auf unsere Beitrittsverhandlungen hinweisen, in denen wir durchgesetzt haben, daß Österreich seine Umweltstandards nicht senken muß. Das ist auch eine Flexibilität.

Wir wollen im Rahmen dieser Verhandlungsrunde – ich weiß nicht, ob es gelingen wird, aber ich hoffe, daß wir die Mehrheit hinter uns bekommen werden – den Artikel 100a Abs. 4, der ja das Beibehalten oder das Entwickeln höherer Standards ermöglichen würde, gerne weiter ausbauen. Auch das ist Flexibilität.

Skeptisch bin ich – das sage ich auch offen – im Zusammenhang mit der ersten Säule, wodurch der Binnenmarkt, der Verkehr von Gütern und Dienstleistungen betroffen ist. Dort müßte dann ein strenges Überwachungssystem durch die Kommission Platz greifen, damit wir nicht einen Art "Sauhaufen" haben, der legistisch kaum mehr überschaubar ist. (Abg. Wabl: "Sauhaufen"! – Schön sprechen!)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. König.

Abgeordneter Dkfm. DDr. Friedrich König (ÖVP): Herr Vizekanzler! Die Notwendigkeit, zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen im Rat zu kommen, um Blockaden zu verhindern, ist im Hinblick auf die Erweiterung besonders geboten, hat aber gar nichts, wie Sie auch ausgeführt haben, mit der Frage der Europäischen Kommission zu tun.

Ich möchte aber doch fragen, welche Chancen Sie einer Reform der Europäischen Kommission bei der Regierungskonferenz gerade im Hinblick auf die Erweiterung einräumen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Vizekanzler, bitte.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter Dr. König! Ich glaube, daß man die Kommission und vor allem auch die Dienste, also die Generaldirektionen, sehr wohl reformieren sollte – das ist unbestritten, hat aber nichts mit dem Prinzip, daß jeder Mitgliedstaat darin mit Sitz und gleichberechtigter Stimme vertreten sein soll, zu tun.

Was ich mir vorstellen kann, ist, daß man von dem Prinzip abgeht, daß zum Beispiel fünf Kommissäre – wie das heute der Fall ist – Außenpolitik machen. Das ist unsinnig. Ich weiß selbst nicht immer ganz genau, wenn man mich schnell fragt, wer für bestimmte Fragen zuständig ist: Ist es Marin, der für die Mittelmeerländer zuständig ist, ist es in der Entwicklungshilfe der Portugiese Pinheiro, ist es, wenn es um humanitäre Angelegenheiten geht, Frau Bonino und die allgemeine Außenwirtschaftspolitik betreffend Hans van den Broek oder der für den Handel zuständige Sir Leon Brittan? – Das ist unsinnig.

Das heißt, eine klarere Ressortzuordnung, vielleicht auch weniger Geschäftsbereiche – also 10, 12, 15 – wären sinnvoll. Es muß nicht jeder Kommissär einen eigenen Geschäftsbereich haben. Man könnte auch einzelne Kommissäre mit bestimmten Aufgaben der Kommission betrauen, zum Beispiel Erweiterungsverhandlungen, Betrugsbekämpfung oder damit, ein bestimmtes Programm, ein Weißbuch auszuarbeiten, für mehr Beschäftigung, für die Auswirkungen des Binnenmarktes. Also man könnte Projekte und Geschäftsbereiche darstellen, aber immer gleichberechtigt und mit Sitz und Stimme.

Man könnte insgesamt auch das Parlament mehr einbinden und ihm das Recht geben, die Kommission und den Präsidenten stärker zu beeinflussen. Ich könnte mir vorstellen, daß man dem Präsidenten eine bessere Rolle gibt, daß er auch mitreden kann, wer in die Kommission kommt, daß die Mitgliedsländer etwa drei oder vier Namen vorschlagen und er fordern kann: Ich brauche für meine Kommission einen Umweltexperten, habt ihr einen? Oder: Ich brauche einen gelernten Ökonomen, einen der mit dem Kapitalmarkt etwas zu tun hat.

Bei uns hat das übrigens sehr gut funktioniert. Jacques Santer hat gefragt, ob wir einen Supermann haben, der sich in der Landwirtschaftspolitik gut auskennt, und damit war Franz Fischler geboren. – Ideal.


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