Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 149

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Verbale Beurteilung ist nicht der Weisheit letzter Schluß. Sie ist aber aufgrund der gegenwärtigen Gesetze, das heißt Schulunterrichtsgesetz, Schulorganisationsgesetz, unter der Maßgabe, daß Unterricht Mitarbeit und ein dialogisches Verhältnis ist, jederzeit möglich. Sie wird auch praktiziert – Gott sei Dank! –, und sie kann selbstverständlich auch noch ausgebaut werden. (Zwischenruf der Abg. Schaffenrath. ) Insofern hoffen wir auch auf die Kompetenz und die profunde Ausbildung der Lehrer.

Stichwort: Lehrerkosten. Wenn Sie sich ein wenig darüber informieren, was in den letzten Jahren an Reformen umgesetzt wurde, dann stellen Sie fest, das ist auf das Konto der Lehrerzahl, der Lehrerintensität und des Lehrer-Schüler-Verhältnisses gegangen. Wenn Sie dies kritisieren und sagen, nicht in Lehrer, sondern in Apparate und sonstiges hätten wir investieren sollen, dann gehen Sie her und sagen Sie das! Sie wissen auch, daß die Anhebung der Anfangsgehälter und die Abflachung der späteren Gehälter in Wirklichkeit jetzt insgesamt teurer ist. Ich möchte das in Erinnerung bringen, sonst bleibt es unter Umständen unberücksichtigt.

Lehrer arbeiten derzeit auch – insofern, so denke ich, ist die Leitbilddiskussion noch nicht abgeschlossen – gemeinsam mit Dienstgebern und Dienstnehmern an einem Lehrerarbeitszeitmodell. Ich kann Kollegen Öllinger recht geben, diese Debatte müssen wir im einzelnen führen. Aber Lehrer verstehen die Diskussion nicht, wenn sie jeweils in eine Ecke gedrängt werden, in der es heißt, sie seien Schmarotzer, sie seien diejenigen, die es bloß mit Nichterwachsenen zu tun haben. Daraus entsteht ein besonderer "Geruch": Lehrer, was ist das schon? – Lehrer müssen bloß mit "Kleinen" etwas tun, und das bewegt sich nicht auf der Ebene von großen ökonomischen Zahlen beziehungsweise Fakten und technischen Geräten, sondern mehr im Bereich von Reden, Zuhören und Hervorbringen von Kreativität. Das ist doch eine gesellschaftlich immer wieder zu verteidigende Kompetenz. In schwierigeren Zeiten müssen sich Lehrer wegen des Gesamtvorwurfes Budgetaufblähung für den steigenden Zulauf zu Bildung und zu Bildungseinrichtungen rechtfertigen.

Ich denke, daß wir den Lehrern damit unrecht tun und daß wir unser Augenmerk viel besser auf andere Dinge richten sollten.

Ich meine, wir sollten beobachten, daß der Schule immer mehr, immer größere und weitere Aufgaben übertragen werden. So sind an die Schule folgende Anliegen herangetragen worden: Problemlöser sollt ihr sein in Fragen, wenn die Zahl der Verkehrstoten steigt, wenn die Fälle von Zahnfäule im Steigen begriffen sind, wenn Sexualverkehr zu früh oder zu spät einsetzt, je nach Wertelage; weiters wie der Tennisschläger zu handhaben ist, wie der Personalcomputer zu nutzen ist, wie Stricknadeln oder Medizinbälle oder sonstiges kompetent "gehandled" werden sollen.

Gleichzeitig sind Lehrer mit immer inhomogeneren Elternerwartungen konfrontiert. Eigentlich müßten wir aufgrund dieser Differenzierung im Schulsystem noch weiter ausdifferenzieren, weitere differenzierte Elemente bilden beziehungsweise vorhandene ausbauen.

Ich wünsche mir für die Zukunft, daß wir uns an den soliden und international nachgewiesenen Daten und Rückmeldungen orientieren, daß wir wissenschaftliche Ergebnisse als die nehmen, die sie sind, und daß wir auch die Gegenhypothesen und Gegenthesen ernst nehmen.

Ich wünsche mir auch, daß wir die Lehrer unterstützen, und zwar dann, wenn sie Lehrer im guten Sinn des Wortes sind, nicht aber im "alten Pauker"-Sinn, nicht im Sinne einer alten Drillschule – diese ist abgelegt, diese hat die Reformpädagogik schon vor 100 Jahren beiseite geschafft –, sondern wenn sie Lehrer sind in einem modernen demokratischen Sinn, die den Eigenwert der Schule verteidigen und sich nicht ständig in ihren didaktischen und pädagogischen Kompetenzen mit Kaufhäusern, Flanierstätten, Discos und anderen lustigen Plätzen messen lassen müssen, wo es eigentlich nur darum geht, sich wohlzufühlen, "in" zu sein und dergleichen. Dabei geht nämlich der starke, in Wirklichkeit moderne, emanzipatorische Charakter von Bildung flöten. Und das wünsche ich mir für die Lehrer nicht, und das wünschen sich auch die Lehrer nicht – weder für ihre Schüler noch für deren Eltern noch für ihre Dienstgeber.


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