Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 205

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die jungen Leute spüren, weil sie es gerne tun, weil sie sich einsetzen und weil sie sich gerne 40 Stunden in der Woche zusammen mit ihren Mitarbeitern um den Lehrling kümmern, ohne gleich wie der eine oder andere Lehrer, der nichts anderes zu tun hat, als sich nur 20 Stunden in der Woche um einen Lehrling zu kümmern, niederzubrechen und davon zu reden, daß das Leben so hart wäre. Die jungen Menschen, die wir in den Betrieben ausbilden, sind nämlich genauso frech und genauso nett, genauso aufgeweckt und genauso störrisch wie diejenigen, die die Lehrer in der Schule unterrichten, aber wir ertragen sie erstaunlicherweise mit einiger Geduld 40 Stunden in der Woche, während die Lehrer meinen, wenn sie sie 20 Stunden in der Woche haben, sei das schon nicht mehr zumutbar, und die Flucht in die Frühpension beginnt. (Abg. Gatterer: Die Lehrlinge müssen 60 Stunden arbeiten!) – Wir werden das später ausdiskutieren, gnädige Frau.

Ich bekenne mich zur Lehrlingsausbildung, ich bekenne mich zur Bedeutung der dualen Ausbildung und fordere Sie noch einmal auf – heute und am morgigen Tag, wenn wir über das Berufsausbildungsgesetz reden, noch einmal –: Haben wir den Mut, die Lehre wirklich auf eine neue Basis zu stellen, sie als eine gleichwertige Säule der sekundären Bildungsstufe hinzustellen, sie damit zu attraktivieren und es über eine Trennung von Berufsschule und Lehrzeit und damit über eine integrale Verlängerung der Berufsschule auch den Betrieben zu ermöglichen, mehr Lehrlinge aufzunehmen! Ein Lehrling, der sechs Monate Berufsschule absolviert und sechs Monate im Betrieb ist, also halbe-halbe, kann zu einer doppelten Anzahl von Lehrlingen im selben Betrieb führen. Außerdem wird eine ganze Reihe junger Menschen, die heute die BHS absolvieren, ohne dafür geeignet zu sein – anders kann ich mir die hohe Drop-out-Quote von fast einem Drittel in den BHS nicht erklären –, wieder dorthin zurückgebracht, wo sie über die Lehre genauso wie über die Fachhochschulreife in den tertiären Bildungssektor vordringen können.

Kollege Öllinger läßt uns dann, nachdem er festgestellt hat, daß die Lehre ein Geschäft ist und die Unternehmer – salopp gesagt – nur zu dumm sind, das zu verstehen, als vierten Streich noch wissen, wie er sich die Maßnahme zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung vorstellt. Er sagt: Erhöht die Lohnnebenkosten! – Das ist seine Antwort darauf. Wir haben zwar "nur" die dritthöchsten Arbeitskosten in der Europäischen Union, wir preisen uns selbst aus den internationalen Exportmärkten hinaus, aber Öllinger schlägt vor: Ein Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Unternehmen ist herzustellen! Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, werden durch diesen Lastenausgleich gefördert!

Das, Herr Kollege Öllinger – Sie kommen ja dann noch dran; wir werden darüber noch diskutieren –, ist nichts anderes als die Erhöhung der Lohnnebenkosten um 1, 2, 3, 4 Prozentpunkte, je nachdem, wie Sie diesen Lastenausgleich festlegen. Das ist aber genau der falsche Weg, weil Sie obrigkeitsstaatlich reglementierend vorgehen wollen. Zuerst belasten Sie die Lehrbetriebe, sodaß diese sagen: Wir bilden keine Lehrlinge mehr aus, wir schaffen es nicht mehr!, und dann sagen Sie: Jetzt machen wir eine Ausgleichszahlung, jetzt kommen noch die Lohnnebenkosten dran. Euch werden wir es schon zeigen! Wir wissen, was Vernunft ist; mit dem Steuerrecht werden wir es euch einbleuen!

Herr Kollege Öllinger! Das ist ein total falscher Weg! Glauben Sie jemandem, der seit über 25 Jahren wirklich mit Herz Lehrlinge ausbildet und viele Erfolge, aber auch entsetzliche Mißerfolge gehabt hat. So werden Sie niemanden zur weiteren Lehrlingsausbildung bringen, weil das ganz wesentlich auch eine Frage des persönlichen Einsatzes ist.

Es gibt auch einen Antrag, den Sie nun schon zum dritten Mal miterledigen, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, das ist der Antrag des Abgeordneten Dolinschek betreffend die Arbeit von jungen Menschen im Gastgewerbe nach der Sommerzeit.

Das ist ein Justamentstandpunkt, den niemand versteht. Die astronomische Zeit ist 22 Uhr, die Sommerzeit ist 23 Uhr, und das Verhalten, die Wünsche, die Bedürfnisse der Gäste richten sich danach. Ein Lehrling kann nur dann arbeiten und produktiv sein, wenn Gäste da sind. Er muß ja produktiv sein, denn wenn er nicht produktiv wäre, könnte er ja keine Lehrlingsentschädigung bekommen; das ist ja einigermaßen logisch. Und daß Sie ihn nicht bis 23 Uhr arbeiten lassen,


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